Erklärungen

Grundlagen des E-Learning

Letztes Update: 22. April 2021

Lernende in E-Learning Kursen werden zuhauf mit Erklärungen konfrontiert. Kaum ein E-Learning Kurs kommt heutzutage ohne instruktionale Videos aus, in denen ExpertInnen den Lernenden Fachwissen vermitteln. Manche Kurse verwenden gar ausschließlich instruktionale Videos, um Wissen zu vermitteln. Lynda beispielsweise, eine von LinkedIn gekaufte Lernplattform, lässt eine Vielzahl an Kursen entwickeln, in denen Videos fast die einzige Form der Didaktik sind (siehe dieses Beispiel). Eine andere Lehrsituation, in denen Erklärungen äußerst prominent sind, sind Tutoring-Settings. Im Tutoring unterstützt ein Tutor oder eine Tutorin einen Tutee beim Lernen. Tutoring zeichnet sich durch eine hohe Interaktion aus, in denen die TutorInnen häufig Fragen an die Tutees stellen. Genauere Analysen von Tutoring-Sessions ergaben, dass in 90% bis 95% der Zeit das Thema von den TutorInnen vorgegeben wurden (Graesser et al., 1995). Die Hälfte der Zeit verbringen TutorInnen mit Erklärungen (Chi et al., 2001).

Warum nutzen TutorInnen und E-Learning EntwicklerInnen so viele Erklärungen? Zum einen scheinen Erklärungen ein menschliches Bedürfnis zu befriedigen, anderen Menschen etwas beizubringen zu wollen (Keil & Wilson, 2000). Zum anderen ermöglichen Erklärungen den Lernstoff den Lernenden korrekt, umfassend und kohärent zu vermitteln (Sánchez et al., 2009). Lernende, die sich den Lernstoff selbst erklären, können dies nicht; sie haben Wissenslücken, Misskonzepte und den Lernstoff noch nicht kohärent in ihrem Gedächtnis gespeichert. ExpertInnen wiederum sind in der Lage, das Fachwissen korrekt und umfassend zu vermitteln.

Da Erklärungen als didaktische Idee allgegenwertig sind und die „korrekte" Vermittlung von Wissen ermöglichen, sollten wir verstehen, wie sie funktionieren und wie wir sie lernförderlich gestalten können. Wir werden daher in diesem Modul zunächst zeigen, was Erklärungen sind und warum sie nicht immer lernförderlich sind. Zuletzt werden wir uns überlegen, was gute Erklärungen auszeichnet.

Was sind Erklärungen?

Eine Erklärung ist eine Antwort auf eine explizite oder implizite Frage von Lernenden (Leinhardt, 2001). Explizit, da Lehrende in E-Learning Kursen über Foren, Webinare und Chats auf Fragen von Lernenden eingehen. Implizit, da Lehrende durch instruktionale Videos und Texte Fragen beantworten, die von den Lernenden gar nicht gestellt wurden, allerdings von den Lehrenden antizipiert werden. Lehrende fragen sich sozusagen, was Lernende für einen Kurs verstehen sollen und erstellen auf dieser Einschätzung Erklärungen.

Eine Antwort allerdings ist nicht immer eine Erklärung. Würdest du mich fragen was eine Demokratie ist und ich würde antworten „Deutschland", hätte ich dir keine Erklärung gegeben. Erklärungen verlangen, dass ich den Lernstoff für die Lernenden entfalte. Entfalten bedeutet, dass Lehrende den Lernstoff systematisch ausbreiten, indem sie Konzepte, Ideen und Verbindungen darlegen, welche nötig sind, um den Gegenstand der Erklärung zu verstehen. In einer Erklärung über das Konzept der Demokratie würde man sich daher nicht darauf beschränken, zu sagen, dass Repräsentanten in einer Demokratie gewählt werden. Vielmehr müsste man entfalten, was Repräsentanten sind, welche Funktion sie in einem demokratischen System haben und in welcher Beziehung sie zu den WählerInnen stehen. Kurzum, Erklärungen versuchen das zu erwerbende Wissen so breit zu beschreiben, dass es Lernenden gelingt, ihr Vorwissen daran anzuknüpfen (siehe auch Ausubel, 2012). Erklärungen müssen daher dort anfangen, wo das Wissen der Lernenden aufhört. Eine umfassende Entfaltung des Lernstoffs verlangt daher, dass Lernenden Beispiele und Gegenbeispiele zum Gegenstand der Erklärung erhalten. Beispiele helfen Lernenden, eine Verbindung zwischen dem Vorwissen und dem Lerngegenstand herzustellen.

Erklärungen sind auf Grundlage dieser Überlegungen dadurch definiert, dass eine Lehrperson Aufwand aufwendet, eine Frage so umschreibend und exakt zu beantworten, dass Lernende aus der Erklärung eine Antwort erhalten. Lehrende, die eine Erklärung verfassen, achten daher darauf, für wen sie sie schreiben. Sie müssen in der Lage sein, ein Fenster aufzumachen, durch das die Lernenden etwas sehen, was sie vorher noch nicht gesehen haben.

Erklärungen als Fenster zur Welt

Das im letzten Satz beschriebene „Fenster zur Welt" ist eine geeignete Metapher, welche sich E-Learning EntwicklerInnen beim Verfassen von Erklärungen immer im Hinterkopf behalten sollten. Die Metapher stammt aus der Linguistik, ist allerdings direkt auf Erklärungen im E-Learning übertragbar, da Erklärungen nichts anderes sind als ein besonderer Sprachstil, der bestimmten Regeln folgt. Die Metapher wird in der Linguistik auch als klassischer Stil bezeichnet (Thomas & Turner, 2011). Sowohl im E-Learning als auch beim Schreiben von Texten sehen wir unsere GesprächspartnerInnen nicht. Wir sehen kein Stirnrunzeln und kein nervöses Schaukeln auf dem Stuhl. Genauso wie beim Lesen von Texten haben Lernende in E-Learning Erklärungen keine Möglichkeit, Nachfragen zu stellen. Kurzum: Wir müssen beim Verfassen von instruktionalen Erklärungen antizipieren, wie wir die Inhalte der Erklärung so entfalten, dass sie für die ZuhörerInnen oder LeserInnen verständlich werden.

Das Ziel des klassischen Stils ist die Präsentation der Wahrheit (Pinker, 2015). Das Ziel einer Erklärung ist die Präsentation von Wissen. Um diese Wahrheit zu präsentieren, öffnen wir in einer Erklärung ein Fenster zur Welt, indem wir den Lernenden Dinge in der Welt zeigen, die die Lernenden noch nicht gesehen haben. Stell dir beispielsweise vor, eine Lehrperson möchte durch ein instruktionales Video den Lernenden zeigen, weshalb Cola überschäumt, wenn man ein Mentos in die Cola gibt (das Video hierzu findest du hier). Die Erklärung ist so konzipiert, dass sie den Lernenden die Oberfläche des Mentos zeigt, durch die dieser Effekt entsteht. Die Funktion der Lehrperson in der Erklärung ist es, den Blick der Lernenden auf diese Dinge zu richten. Die Funktion der Lernenden ist es, dem Blick der Lehrperson in der Erklärung zu folgen. Im klassischen Stil richtet sich der Blick auf konkrete Dinge. Das heißt, dass wir durch die Erklärung Akteure sehen, die Handlungen ausführen. Ebenso sehen wir in einer Erklärung im klassischen Stil Gegenstände, die wir sinnlich erfassen können.

Ein Gegenbeispiel hilft an dieser Stelle: Lies dir einmal den folgenden Satz durch und versuche ihn zu verstehen (siehe Pinker, 2015, S. 49): „The researchers found that groups that are typically associated with low alcoholism [levels]{.underline} actually have moderate amounts of alcohol [intake]{.underline}, yet still have low [levels]{.underline} of high [intake]{.underline} associated with alcoholism, such as Jews." Diese Sätze folgen nicht dem klassischen Stil, da sie viele abstrakte Nomen wie "levels" oder "intake" verwendet, welche wir nicht erfassen können. Im klassischen Stil würden wir diese Abstrakta konkreter beschreiben: "The researchers found that in groups with little alcoholism, such as Jews, people actually drink moderate amounts of alcohol, but few of them drink too much and become alcoholics". (S. 49). Begriffe wie trinken, Alkohol oder few sind den meisten Menschen geläufig und sind sinnlich erfassbar. Im Vergleich zu oberen Satz ermöglicht dieser Satz daher eher Lernenden eine Tatsache in der Welt zu präsentieren.

Es gibt auch andere Stile als den klassischen Stil. Im romantischen Stil möchten wir unsere emotionalen, idiosynkratrischen und unaussprechlichen Reaktionen auf etwas vermitteln. Im prophetischen Stil, wie er bei beispielsweise in einem Manifesto vorherrscht, versuchen wir unsere ZuhörerInnen von einer Sache zu überzeugen und sie emotional aufzurühren. Im praktischen Stil möchten wir einen Sachverhalt kurz und prägnant darlegen. Der klassische Stil ist keines dieser Stile. Ebenso Erklärungen. Eine Erklärung, die beschreibt, wie eine Lehrperson ihr mühselig gewonnenes Wissen über jahrelange Arbeit gewonnen hat, verfolgt keinen klassischen Stil. Viel mehr als den Prozess möchten wir in einer Erklärung die Wahrheit der Lehrenden präsentiert bekommen.

Zudem wissen wir im klassischen Stil, dass die Wahrheit unsicher ist. Man kann sich über die Wahrheit streiten. Vielleicht gibt es andere Erklärungen, weshalb die Cola durch Mentos überschäumt. Im klassischen Stil müssen wir unsere Erklärung allerdings nicht in dieser Unsicherheit tränken. Wenn wir beschreiben, wie das Universum begonnen hat, werden wir in einer Erklärung nicht alle Diskussionspunkte der Forschung aufgreifen. Wir werden versuchen, das aktuelle Wissen um den Beginn des Universums so genau wie möglich zu präsentieren.

Der klassische Stil bleibt immer ein Ideal, ein Ideal allerdings, welchem wir bei Erklärungen folgen sollten. Aus verschiedenen Gründen: Zunächst verpflichtet uns die Idee der Präsentation einen Sachverhalt zu entfalten, wie es in der Definition von Erklärungen beschrieben wurde. Zudem zwingt uns der klassische Stil konkrete Beispiele zu verwenden, welche uns helfen den Gegenstand der Erklärung mit dem Vorwissen der Lernenden zu verbinden. Zuletzt hilft uns der klassische Stil den Gegenstand der Erklärung korrekt („wahr") und umfassend zu vermitteln.

Um Erklärungen und den klassischen Stil zu verstehen, hilft es, sich eine Erklärung anzusehen. Im Kurs Think Again I: How to Understand Arguments wird in der ersten Woche des Kurses erklärt, was ein Argument ist. Diese Erklärung wird in Form eines Videos präsentiert, in welchem die Lehrperson Walter Sinnott-Armstrong vor seinem Schreibtisch sitzt und beschreibt, was ein Argument ist. Die Erklärung hat über 1200 Wörter, wir können sie allerdings auf etwa 800 Wörter kürzen, um die zentralen Aussagen in der Erklärung in einer Tabelle darzustellen. Lies dir am besten die Ideeneinheiten und den begleitenden Text dazu ausführlich durch:

IdeeneinheitText
Arguments are not fights.The first step in understanding arguments is to figure out what arguments are. And the first step in understanding what arguments are is to figure out what arguments are not. Arguments are not like hitting people on the head, you hit people on the head when you wrestle. The point is that arguments are not fights you don\'t win an argument by hitting somebody on the head. Sometimes little children say that their parents are arguing, when they\'re really having a verbal fight. But you cannot win an argument just by yelling at someone. Another room in the Monty Python skit involves abuse. Now abuse is one of the things you do with language, but it\'s not the same as arguing. You cannot win an argument simply by calling your opponent a stupid git.
Arguments are not contradictions.Argument is not the same as contradiction. In British English to say a contradiction is just to deny the person or contradict what they said. But contradicting what the person said, that is denying it, is not arguing. I can say, what do you think the best flavor of ice cream in the world? Well I have my favorite. I know what the best flavor is. The best flavor is Ben and Jerry\'s Coconut Almond Fudge Chip ice cream, There\'s nothing better. And then you say, no it isn\'t. Well you haven\'t argued that it isn\'t and I haven\'t argued that it is, we\'re just disagreeing with each other. We haven\'t given any reason for any of the positions that we\'ve adopted yet.
Arguments establish a proposition.Argument is an intellectual process. It\'s a process not just of asserting your views, but of giving some kind of reason for your views. An argument is a connected series of statements to establish a proposition. I take it they mean intended to establish a certain proposition. It\'s a series of statements, and statements are made in language, so arguments are made of language. It also tells you what the purpose of argument is. The purpose of argument, they say, is to establish a certain proposition. This definition gives us a nice contrast. Because there are lots of other series of statements or sentences that don\'t count as arguments because they\'re not intended to establish a proposition. Consider for example a novel, which has statements about what\'s going on, but it\'s not necessarily trying to establish any particular proposition. Or a dictionary might have a series of definitions, but it\'s not intended to establish a certain proposition. Instead, novels and dictionaries order sentences in a different way. They order them either chronologically or alphabetically whereas, arguments are trying to put statements into a certain structure that reflects the order of reasoning in order to establish the proposition. The purpose of an argument is not always to establish a proposition because some propositions that are conclusions of arguments, we already knew. Consider for example a mathematical proof. If someone tries to prove the Pythagorean theorem in geometry. People already believe the theorem. They already knew that it was true. So they weren\'t trying to establish the proposition. But the proof does something else, it shows you how that proposition is connected to the axioms of the system. It helps you understand why the proposition is true.
Arguments also help us understand why a proposition is true.So sometimes arguments are intended to establish a proposition, but in other cases they\'re intended to help us understand the proposition and the reasons why the proposition is true. So we want to distinguish reasons to believe that the proposition is true, from reasons why the proposition is true. and arguments can do both of those things. So, we need a somewhat broader definition of argument to cover these different kinds of reasons.
Definition of arguments.We\'ll think of an argument as a connected series of sentences or statements or propositions, where some of these sentences or statements or propositions or premises and one of them is the conclusion and the one that are premises are intended to provide some kind of reason for the one that\'s the conclusion. This definition is useful in many ways. First of all, it tells us what the parts of the arguments are, the premises and the conclusion. Secondly, it tells you what the arguments are made of. It\'s made up of language because sentences and statements and propositions are made in language. Third, it tells you the purpose of argument, to give a reason for the conclusion. Fourth, a nice feature is that it\'s very flexible because there are lots of different kinds of reasons. We don\'t want our definition to be too narrow because then it won\'t cover all the different kinds of arguments, and the notion of reason captures the different kinds of relations between the premises and the conclusion in different kinds of arguments.

Sinnott-Armstrong verwendet sechs Ideeneinheiten, um zu erklären, was Argumente sind. Die eigentliche Definition eines Arguments erscheint erst in der letzten Ideeneinheit. Alle Ausführungen davor dienen dazu, diese Definition für die Lernenden zu entfalten. Zunächst zeigt Sinnott-Armstrong den Lernenden, was Argumente nicht sind. Im Anschluss führt er die erste zentrale Idee von Argumenten ein, indem er sagt, dass Argumente eine Reihe an Aussagen sind, um eine Behauptung zu stärken. Bevor den Lernenden die abschließende Definition von Argumenten geliefert wird, zeigt er den Lernenden, dass Argumente nicht nur genutzt werden können, um Behauptungen zu stärken, sondern auch um diese zu erklären. Erst dann beschreibt er die abschließende Definition von Argumenten.

Diese Erklärung hält sich an die von uns beschriebene Definition und verfolgt die Idee des klassischen Stils. Sinnott-Armstrong hat eine Wahrheit, die er uns durch eine Präsentation beschreibt. Die Wahrheit wird angenommen (es gibt bestimmt auch andere Definition von Argumenten). Er zeigt bei der Erklärung auf Dinge, die wir in der Welt sehen können (z.B., einen Streit, Kinder, Monty Python, Ice-Cream). Beispielsweise erhalten Lernende durch seine Präsentation eine umfassende Beschreibung seiner Welt: In etwa 30% der Wörter der Erklärung werden für Beispiele und Gegenbeispiele verwendet. Indem Sinnott-Armstrong zum Beispiel sagt, dass Argumente nicht das Gleiche sind wie Menschen zu widersprechen, hilft er den Lernenden das Konzept des Arguments mit ihrem Vorwissen zu verbinden (indem sich Lernenden einen Widerspruch vorstellen: „Nein. Stimmt nicht!") und liefert Andockstellungen für die Lernenden.

Hätte Sinnott-Armstrong auf die ersten fünf Ideeneinheiten verzichtet und nur die Definition geliefert, hätte er einen praktischen Stil verwendet. Um zu erkennen, wie weit Sinnott-Armstrong die Erklärung entfaltet, vergleiche seine Erklärung einmal mit der Erklärung von Kevin deLaplante. DeLaplante verwendet in seinem Video ein Beispiel für eine Erklärung. Er entfaltet das Konzept des Arguments auch, allerdings längst nicht so umfassend wie Sinnott-Armstrong.

Zuletzt verfolgt die Erklärung dem klassischen Stil, da Sie uns die Wahrheit, wie sie von Sinnott-Armstrong empfunden wird, präsentiert. Er verzichtet darauf, uns seine Unsicherheit in der Definition aufzuzeigen. Vielmehr beschreibt er seinen Kenntnisstand gerade heraus. Er überlässt es somit dem Sachverstand der Lernenden, seine Wahrheit zu interpretieren und zu kritisieren. Sein Ziel bleibt die Präsentation seiner Wahrheit.

Arten von Erklärungen

Die Erklärung von Sinnott-Armstrong wird als Begriffserklärung bezeichnet. Insgesamt gibt es vier verschiedene Arten von Erklärungen (siehe Nückles, 2019).

Bei Begriffserklärungen möchten wir einen Begriff oder ein Konzept eingrenzen und beschreiben. Wir müssen dazu zentrale Eigenschaften des Begriffs nennen (z.B., Widersprüche sind keine Argumente). Ebenso müssen wir zentrale funktionale Aspekte des Begriffs erläutern (z.B. Argumente dienen der Stärkung einer Behauptung). Um einen Begriff zu verstehen, verwenden wir zudem Beispiele. Unter anderem wären Erklärung zu den Fragen „Was ist Materie?" oder „Was ist Demokratie?" eine Begriffserklärung.

Kausalerklärungen dienen der Beschreibung von Ursachen für einen Sachverhalt. Der Zweck der Kausalerklärungen ist es, einen Prozess durch das Erläutern von Ursache-und Wirkungsbeziehungen zu beschreiben. Die Antwort auf die Frage, warum sich die Erde erwärmt, wäre eine Kausalerklärungen. Ebenso die Frage, warum der Himmel blau ist.

Funktionale Erklärungen, auch teleologische Erklärungen genannt, beschreiben die Funktion, den Zweck oder die Intention von Dingen. Beispielsweise kann die Frage, warum sich die Erde erwärmt, ebenso durch eine funktionale Erklärung beantwortet werden. Eine moralisierende Antwort könnte lauten, dass die Erderwärmung die Funktion hat, den Menschen ihren negativen Einfluss auf den Planeten aufzuzeigen. Funktionale Erklärungen im E-Learning dienen allerdings vordergründig dazu, Lernenden die wissenschaftlich korrekte Funktion von Dingen zu erläutern. Beispielsweise, indem wir Lernenden erklären, warum Menschen meditieren oder welche Aufgabe ein Brainstorming in einem Seminar hat.

Prozedurale Erklärungen beschreiben Lernenden einen Prozess in einzelnen Schritten. Jede Person, die einmal gelernt hat, ein Auto zu fahren, hat bereits eine prozedurale Erklärung erhalten (siehe dieses Video): „Zunächst muss die Kupplung und die Bremse gedrückt werden, dann lässt man die Kupplung langsam kommen ...". Ausgearbeitete Lösungsbeispiele, in denen Lernenden ein algorithmisches Problem Stück für Stück erklärt wird, können ebenso unter prozedurale Erklärungen gefasst werden (Sweller, 2006). Wenn ich Lernenden beispielsweise erkläre, wie der Flächeninhalt eines Dreiecks berechnet wird, werde ich als Lehrperson mehrere Schritte nacheinander beschreiben müssen.

Die Limitationen instruktionaler Erklärungen

So beliebt Erklärungen auch sind, sie sind häufig nicht lernförderlicher als Lernaktivitäten, die von den Lernenden selbst initiiert werden. Beispielsweise konnte dies in einer umfassenden Analyse von Tutoring-Sitzungen gezeigt werden. Chi et al. (2001) ließ 11 TutorInnen das menschliche Kreislaufsystem mit AchtklässlerInnen über drei Sitzungen besprechen. Im Schnitt dauerte jede Sitzung 1,8 Stunden. Alle Aussagen der TutorInnen und Tutees wurden aufgeschrieben und später analysiert. TutorInnen wurden in diesen Sessions einerseits dazu angehalten auf Erklärungen zu verzichten und die Lernenden zu unterstützen, ihre Gedanken zu elaborieren. Anderseits sollten die TutorInnen explizit Erklärungen geben. Die Ergebnisse ergaben, dass Tutees durch die Unterdrückung der Erklärungen nicht nur mehr sprachen, sondern ebenso mehr lernten als mit instruktionalen Erklärungen. Warum? Chi et al. argumentieren, dass die Selbsterklärungen der Tutees die Wissenskonstruktion stärker angeregt haben als Erklärungen, welche durch die TutorInnen gegeben wurden.

Einen weiteren Beleg für die limitierte Wirksamkeit von Erklärungen für das Lernen wurde von van Lehn et al. (2003) gefunden. Sie ließen 42 Universitätsstudierende ein intelligentes Tutoring System zu fünf physikalischen Themen durcharbeiten. Im Anschluss untersuchten sie 125 Stunden an Dialogen zwischen den Lernenden und dem intelligenten Tutor. Einer der zentralen Fragen ihrer Studie war, unter welchen Bedingungen die Erklärungen, welche von den Lernenden gegeben wurden, lernwirksam waren. Ihre Ergebnisse zeigten, dass zu 19% der Zeit in den Dialogen Erklärungen gegeben wurden. In 60% dieser Zeit sprachen die Erklärungen ein Missverständnis oder eine Wissenslücke der Lernenden an. Weitere Analysen ergaben, dass Erklärungen, die eine „Sackgasse" ansprachen, also eine Wissenslücke von Lernenden oder ein Fehlkonzept von Lernenden ansprachen, lernwirksamer waren als Erklärungen, die keine „Sackgasse" ansprachen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Erklärungen nicht nur wie bei Chi manchmal nicht nötig sind, sondern ebenso nur unter bestimmen Bedingungen wirksam sind.

Ein weiterer eher indirekter Befund für die Limitationen von Erklärungen stammt aus der Studie von Graesser et al. (1995). Erneut untersuchten Graesser et al. Tutoring-Sitzungen. Man würde annehmen, dass erfahrene, wissende TutorInnen bessere Tutoring-Sitzungen halten als unerfahrene TutorInnen. Graesser et al. zeigten allerdings, dass das Vorwissen und die Erfahrung von TutorInnen nur ein geringer Prädiktor für den Lernerfolg von Tutees sind. Unerfahrene TutorInnen sind nicht schlechter oder besser als erfahrene TutorInnen. Dieses Ergebnis ist umso erstaunlicher, da nur 5 bis 10% der Aussagen von den Tutees selbst initiiert wurden. Damit lag die Gesprächsführung in diesen Sitzungen bei den TutorInnen. Diese Ergebnisse deuten daher darauf hin, dass die Korrektheit und das Wissen der Lehrenden nicht unbedingt ein zentrales Element wirksamer Erklärungen sind.

Wittwer und Renkl (2010) untersuchten in einer umfassenden Meta-Analyse, ob eine prozedurale Erklärung gefolgt von einer Selbsterklärung mehr oder weniger lernwirksam ist als die Kombination einer prozeduralen Erklärung mit einer Begriffs-, Kausal- bzw. funktionalen Erklärungen. In ihrer Metaanalyse dokumentierten sie 21 Studien, in denen Studierende zu einem ausgearbeiteten Lösungsbeispiel (prozedurale Erklärung) eine Selbsterklärung erzeugten oder eine weitere Erklärung erhielten. Die Ergebnisse zeigten, dass Selbsterklärungen genauso lernwirksam sind wie weitere Begriffs-, Kausal- oder funktionale Erklärungen.

Nur warum haben Erklärungen diese Limitationen? Ein Grund findet sich in den kognitiven und metakognitiven Voraussetzungen von Lernenden. Genauer haben Lernende zwei Nachteile: Erstens fehlt ihnen das Fachwissen, welches ExpertInnen haben. Zweitens mangelt es ihnen an metakognitivem Wissen, wie gut sie sich mit einem Thema auskennen. Dunning et al. (2003) bezeichnen diese beiden Komponenten als den doppelten Fluch der Inkompetenz. Insbesondere Novizen mit sehr wenig Vorwissen überschätzen ihr Wissen enorm. Die Folge dieser Überschätzung ist, dass Lernende eine falsche Annahme über ihren Leistungsstand besitzen und dadurch weniger und oberflächlichere Lernaktivtäten aufsuchen. Erklärungen begünstigen dieses Verhalten, da sie als passiv wahrgenommen werden (Berthold & Renkl, 2010; Salomon, 1984). Zudem führen gut umgesetzte Erklärungen dazu, dass Lernende diese als einfach zu verarbeiten wahrnehmen. Diese einfache Verarbeitung wiederum könnten Lernende missinterpretierten, indem sie die Verarbeitung mit dem eigentlichen Lernen verwechseln (Undorf & Erdfelder, 2011). Beispielsweise könnten Lernende das Gefühl haben, eine Erklärung verstanden zu haben, wenngleich sie wenig aus der Erklärung gelernt haben. Ohne Feedback zu ihrem Leistungsstand verwenden sie daher das Gefühl als fehlgeleiteten Indikator für Lernen.

Nehmen wir als Beispiel die vorherige Erklärung von Sinnott-Armstrong zur Definition von Argumenten. Die Erklärung ist umfassend, dennoch mag sie nicht genügend sein, die Definition nachhaltig zu lernen. Ich selbst habe das Gefühl, die Definition einer Argumentation nach dem Lesen der Erklärung von Sinnott-Armstrong zu verstehen. Nicht allein aufgrund der Erklärung, sondern da ich die Erklärung in einzelne Komponente in eine Tabelle aufgeteilt und mir die Verbindung der zentralen Ideen der Erklärung vergegenwärtigt habe. Ich habe daher zusätzlich zu den Erklärungen weiteren kognitiven Aufwand verwendet, die Definition besser zu verstehen. Hierdurch habe ich nicht nur die Inhalte wiederholt, ich habe sie zudem für mich organisiert. Diese kognitiven Prozesse können wir als E-Learning EntwicklerInnen fördern, indem wir instruktionale Erklärungen klug und strategisch in unseren Kurs einbauen. Wenn uns die Forschung zur Wirksamkeit von Erklärungen etwas zeigt, dann, dass Erklärungen als alleiniges Instrument der Didaktik nur mäßig wirksam sind. Was wir benötigen sind lernförderliche Erklärungen, die durch weitere Aktivitäten der Lernenden gefestigt werden.

Was zeichnet lernförderliche Erklärungen aus?

Dem Fluch des Wissens entgehen

Erklärungen werden häufig von ExpertInnen geschrieben. ExpertInnen formulieren Sprache allerdings nicht immer verständlich. Das machen sie nicht, um ihre ZuhörerInnen zu verwirren, sondern sie können häufig gar nicht anders. Schau dir als Beispiel nur einmal den Gewinner des „Bad Writing Contests" an, der in den Jahren 1995 bis 1998 von Dennis Dutton vergeben wurde (siehe diese Webseite): "The move from a structuralist account in which capital is understood to structure social relations in relatively homologous ways to a view of hegemony in which power relations are subject to repetition, convergence, and rearticulation brought the question of temporality into the thinking of structure, and marked a shift from a form of Althusserian theory that takes structural totalities as theoretical objects to one in which the insights into the contingent possibility of structure inaugurate a renewed conception of hegemony as bound up with the contingent sites and strategies of the rearticulation of power". Ungeachtet dessen, dass dieser Textausschnitt nicht dem klassischen Stil verfolgt, ist er unverständlich. Der Text ist bespickt mit abstrakten Nomen wie „account", „convergence" oder „rearticulation". Will uns Butler verwirren oder ein einfaches Argument künstlich aufbauschen? Nein, der Text ist vielmehr der Spiegel seiner Denkweise zu den Inhalten des Textes. Die starke Verwendung von Abstrakta ist ein Luxus, welches sich ExpertInnen gönnen können (Heath & Heath, 2007, p. 107). Ein Luxus, den Lernende meist nicht haben. Der Luxus entsteht, da ExpertInnen ihr Wissen in einer höchst organisierten, nicht fragmentierten Form speichern. Lachner und Nückles (2015) konnten beispielsweise zeigen, dass Erklärungen von ExpertInnen deutlich zusammenhängender sind als Erklärungen von fortgeschrittenen Studierenden. Studierende haben in ihren Erklärungen meist Wissensinseln, die nicht mit anderen zentralen Konzepten verbunden sind. Die hohe Fragmentierung des Wissens von ExpertInnen erlaubt ihnen mehrere Konzepte zu abstrakteren Konzepten zu verpacken. In der Lehr- und Lernforschung nennt man dieses Phänomen Chunking (Gobet et al., 2001). Genauso gut wie du in der Lage bist, ein Tier ein Hund zu nennen, ohne alle Komponenten des Hundes aufzählen zu müssen, sind ExpertInnen in der Lage über abstrakte Begriffe denken zu können, ohne diese Begriffe gedanklich auszubreiten. Für sie hat der abstrakte Begriff einen Bedeutungsgehalt, für Lernende allerdings nicht. Ähnlich wie ein Betrunkener nicht erkennt, dass er nicht mehr fahren kann, erkennen ExpertInnen daher häufig nicht, dass ihre Wortwahl für die Lernenden nicht erfahrbar ist.

Es hilft, sich zu vergegenwärtigen, dass Erklärungen, die der Struktur des Wissens von ExpertInnen entsprechen, mit ein bisschen Aufwand verständlicher geschrieben werden können (siehe Pinker, 2015, S. 73). Während ExpertInnen beispielsweise schreiben könnten „Participants were tested under [conditions]{.underline} of good to excellent [acoustic]{.underline} [isolation]{.underline}", könnten wir auch sagen: „We tested the students in a quiet room". Oder, ExpertInnen könnten sagen: „There is a significant [positive correlation]{.underline} between measures of [food intake]{.underline} and [body mass index]{.underline}". Eine verständlichere Form wäre: "The more you eat, the fatter you get". An anderes Beispiel: Verstehst du diesen Satz (siehe Pinker, 2015, S. 66)?„The slow and integrative nature of conscious perception is confirmed behaviorally by observations such as the "rabbit illusion" and its variants, where the way in which a stimulus is ultimately perceived is influenced by poststimulus events arising several hundreds of milliseconds after the original stimulus". Im Vergleich, ist es einfacher für dich, diesen umgeschriebenen Satz zu verstehen? „If you close your eyes and someone taps you a few times on the wrist, then on the elbow and then on the shoulder, it feels like string of taps running up the length of your arm, like a hopping rabbit".

Diese drei Beispiele zeigen uns deutlich, dass ExpertInnen, die keine Mühe verwenden, ihre verpackte und zusammenhängende Wissensstruktur zu entfalten und im klassischen Stil zu verkaufen, es Lernenden schwer machen, ihnen zu folgen. Diese sprachlichen Veränderungen kosten Lehrpersonen nicht die Welt, sie vereinfachen allerdings das Verständnis für Lernende enorm.

Dass diese verpackte und abstrakte Sprache dem Verständnis schadet, konnte auch durch verschiedene Studien untermauert werden. Beispielsweise zeigten Sadoski et al. (1993), dass Texte, welche konkrete Begriffe verwendet, die für Lernende erfahrbar sind, besser erinnert und verstanden werden. Webb und Mastergeorge (2003) wiederum untersuchten die Wirksamkeit von Erklärungen in einer Online-Kommunikationsplattform zwischen Studierenden. Erklärungen, in denen wichtige Begriffe ausführlich ausgebreitet (oder elaboriert) wurden, trugen der Verständlichkeit der Erklärung bei. Dass Lehrende nicht in der Lage sind, die Schwierigkeit abstrakter Symbole für Lernende einzuschätzen, zeigten Nathan und Koedinger (2000). Sie ließen Mathematiklehrenden einschätzen, wie schwierig sprachliche und symbolische Aufgaben für Lernende sein würden. Die Lehrenden schätzten symbolische Aufgaben als einfacher als sprachliche Aufgaben ein. Tatsächlich war es genau umgekehrt. Sprachliche Aufgaben waren für die Lernenden einfacher zu lösen als symbolische Aufgaben. ExpertInnen wie Mathematiklehrer haben anscheinend einen blinden Fleck, der es ihnen schwer macht, einzuschätzen, wie eine Erklärung von Lernenden aufgenommen wird (Nathan et al., 2001). Lehrende müssen sozusagen ihr mentales Modell der Erklärung mit dem der Lernenden abgleichen (Jucks & Bromme, 2011). Der Abgleich dieser beiden mentalen Modelle ist in E-Learning Kursen umso wichtiger, da wir dort auf die sozialen Hinweisreize der Lernenden verzichten müssen. Als Folge benötigen Lehrende ein sehr akkurates mentales Modell der Lernenden. Dabei hilft es bereits, wenn Lehrende wissen, für wen sie die Erklärung formulieren. Nückles et al. (2005) ließen hierzu 36 ExpertInnen über eine Online-Plattform mit virtuellen Laien kommunizieren. Die eine Hälfte der ExpertInnen erhielt Informationen zu den Lernenden, die anderen nicht. Verglichen mit den ExpertInnen, die keine Informationen über die Lernenden erhielten, passten die ExpertInnen mit den Informationen die Erklärungen stärker an die Lernenden an.

Ein weiterer Fluch des Wissens besteht für Lehrende darin, dass ihnen sehr klar ist, was die wichtigen Ideen in einer Erklärung sind. Novizen allerdings nicht. Nehmen wir als Beispiel die Quantenfeldtheorie von der ich nun wirklich keine Ahnung habe. Vielleicht geht es dir ähnlich, aber ich habe keinen Schimmer, welche dieser Begriffe für diese Theorie am wichtigsten sind: Schrödingergleichung, Fockraum, Pauli-Prinzip, Klein-Gordon-Gleichung oder die Dirac-Gleichung. Lese ich eine "aufgefaltete" Erklärung zur Quantenfeldtheorie wird es mir schwer fallen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. In guten Erklärungen sollte man daher darauf achten, Lernenden deutlich zu machen, welche Ideen wichtig sind. Empirische Befunde hierzu gibt von Daley und Rawson (2020) sowie von Mayer et al. (1996). In beiden Studien konnten die Forscher zeigen, dass die zentralen Inhalte einer Erklärung besser behalten werden, wenn die Erklärungen wenige Beispiele und weniger ausführliche Beschreibungen enthalten. Dies scheint unintuitiv, da wir doch eingangs erwähnt haben, dass Erklärungen aufgefaltet werden sollen. Es scheint allerdings Grenzen zu geben, wie weit wir eine Erklärung auffalten. Auf dem Hintergrund dieser Ergebnisse nur soweit, dass die Lernende wissen, auf welche Ideen es in der Erklärung ankommt.

Was können wir tun, um den Fluch des Wissens zu entgehen? Die wirksamste und einfachste Methode ist es, die Erklärungen Menschen zu geben, die einen ähnlichen Wissensstand wie unsere Lernenden haben. Diese Zielgruppe zeigt uns direkt, an welchen Stellen Verständnisprobleme auftreten könnten. Wir werden damit zwar nicht alle Lernende abholen, da das Wissen von Gruppen immer entlang einer Glockenkurve verteilt ist. Wir werden dadurch allerdings einem Großteil der Lernenden helfen können, mehr aus den Erklärungen zu lernen.

Lernförderliche Erklärungen sind kohäsiv

Jede Erklärung besteht aus Ideen, die wir miteinander verbinden. Sinnott-Armstrong hat in seiner obigen Erklärung fünf zentrale Ideen erklärt und diese miteinander verbunden. Zudem hat er versucht, Sätze logisch aufeinander folgen zu lassen. Diese expliziten, das heißt direkt angesprochenen Verbindungen, nennt man Kohäsionsmittel. Während wir innerhalb eines Satzes durch die Grammatik eingeschränkt sind, wie wir Worte miteinander verbinden, haben wir bei Erklärungen viele Freiheitsgrade, wie wir Ideen sowohl als Ganzes in einem Text als auch zwischen Sätzen anordnen. Sinnott-Armstrong hätte seine Erklärung genauso gut direkt mit seiner Definition von Argumenten beginnen lassen können. Er hat sich allerdings dafür entschieden, zunächst Gegenbeispiele von Argumenten zu präsentieren.

Lernende kennen das Thema einer Erklärung

Eine kohäsive Erklärung beginnt damit, dass Lernende wissen, worum es in der Erklärung geht. In instruktionalen Videos in E-Learning Kursen nennen wir das Thema einer Erklärung durch den Titel des Videos. Wie wichtig es ist, dass Lernende das Thema einer Erklärung kennen, konnten Bransford und Johnson (1972) eindrücklich zeigen. Versuche einmal diese prozedurale Erklärung zu verstehen:

"The procedure is actually quite simple. First you arrange things into different groups. Of course, one pile may be sufficient depending on how much there is to do. If you have to go somewhere else due to lack of facilities that is the next step, otherwise you are pretty well set. It is important not to overdo things. That is, it is better to do too few things at once than too many. In the short run this may not seem important but complications can easily arise. A mistake can be expensive as well. At first the whole procedure will seem complicated. Soon, however, it will become just another facet of life. It is difficult to foresee any end to the necessity for this task in the immediate future, but then one never can tell. After the procedure is completed one arranges the materials into different groups again. Then they can be put into their appropriate places. Eventually they will be used once more and the whole cycle will then have to be repeated. However, that is part of life." (Bransford & Johnson, 1972, S. 1972)

Klar, worum es geht? Die meisten Lesenden wissen es nicht sofort. Hier die Lösung: Wäsche waschen. Bransford und Johnson zeigten mit der Studie, dass das Verständnis von Texten steigt, wenn Lernende das Thema eines Textes vor dem Lesen kennen. Gibt man ihnen das Thema nach der Erklärung, hilft es nicht mehr als wenn das Thema gar nicht gegeben wird. Der Grund liegt darin, dass das Thema als Anker wirkt, an dem Lernende die eingehenden Informationen der Erklärung aufhängen können. Wir sollten daher bei instruktionalen Erklärungen sicher stellen, dass Lernende immer wissen, worüber wir in einer Erklärung sprechen. Das bedeutet, wir benötigen klare und verständliche Titel für Videos, die die Informationen beinhalten, die wir vorgeben.

Thematische Konsistenz und das Prinzip der Proportionalität

Kohäsive Erklärungen zeichnen sich zudem dadurch aus, dass die zentralen Konzepte der Erklärung genannt werden. Dieses Phänomen wird als thematische Konsistenz bezeichnet und lässt sich daran erkennen, dass die zentralen Konzepte in einer Erklärung nah miteinander verwandt sind und konsistent wiederholt werden. In dem folgenden Textabschnitt ist dieses Prinzip nicht gewährleistet:

„The northern United States and Canada are places where herons live and breed. Spending the winter here has its advantages. Great Blue Herons live and breed in most of the northern United States. It's an advantage for herons to avoid the dangers of migration. Herons head south when the cold weather arrives. The earliest herons to arrive on the breeding grounds have an advantage. The winters are relatively mild in Cape Cod." (Pinker, 2015, S. 139)

Die einzelnen Sätze sind verständlich, nur bleibt der Textabschnitt unverständlich. Der Grund liegt darin, dass die Konzepte keinen Bezug zueinander haben. Die Autorin oder der Autor spricht von Vorteilen, Zucht (breeding), Migration und milden Wintern. LeserInnen fällt es schwer, sich vorzustellen, weshalb und wie diese Begriffe miteinander in Verbindung stehen. Vielmehr sind die Konzepte zusammenhangslos vermischt worden. Schau dir im Vergleich den folgenden Textabschnitt von Sinnott-Armstrong an:

„Argument is an intellectual process. It's a process not just of asserting your views, but of giving some kind of reason for your views. An argument is a connected series of statements to establish a proposition. I take it they mean intended to establish a certain proposition. It's a series of statements, and statements are made in language, so arguments are made of language. It also tells you what the purpose of argument is. The purpose of argument, they say, is to establish a certain proposition. This definition gives us a nice contrast. Because there are lots of other series of statements or sentences that don't count as arguments because they're not intended to establish a proposition. Consider for example a novel, which has statements about what's going on, but it\'s not necessarily trying to establish any particular proposition. Or a dictionary might have a series of definitions, but it's not intended to establish a certain proposition. Instead, novels and dictionaries order sentences in a different way. They order them either chronologically or alphabetically whereas, arguments are trying to put statements into a certain structure that reflects the order of reasoning in order to establish the proposition. The purpose of an argument is not always to establish a proposition because some propositions that are conclusions of arguments, we already knew. Consider for example a mathematical proof. If someone tries to prove the Pythagorean theorem in geometry. People already believe the theorem. They already knew that it was true. So they weren't trying to establish the proposition. But the proof does something else, it shows you how that proposition is connected to the axioms of the system. It helps you understand why the proposition is true."

In dem Text werden drei Begriffe konsequent im Text verwendet: proposition, argument und statement. Die Konzentration auf wenige aber zentrale Konzepte schafft thematische Konsistenz. Zudem hält er den zentralen Begriff des Arguments häufig als Subjekt, so dass dieser Begriff der zentrale Protagonist des Textes ist. Im Sinne des klassischen Stils zeigt die Lehrperson in dieser Erklärung auf einen klar umrissenen Ort oder Sachverhalt. In der Erklärung zu den Reihern weiter oben richtet die Lehrperson den Blick der Lernenden auf ganz verschiedene Orte, bis die Lernenden nicht mehr wissen, worauf sie schauen sollen.

Ein ganz ähnliches und wichtiges Prinzip der Kohäsion ist das Prinzip der Proportionalität. Das Prinzip besagt, dass wir den Großteil der Wörter in einer Erklärung auf das Thema der Erklärung richten sollten. Die Folge dieses Prinzips ist, dass wir auf Ausschweifungen, die zwar interessant, aber irrelevant sind, weitestgehend verzichten sollten. Thun und Tausch (2015) sprechen auch von anregenden Zusätzen. Schau dir beispielsweise diesen Vortrag von Ken Robinson an. Der Vortrag ist auf YouTube äußerst beliebt, auch weil er sehr eloquent und lustig ist. Der Vortrag zeichnet sich aber auch durch viele anregende Zusätze aus, die das Prinzip der Proportionalität missachten. Die Folge dieser Missachtung ist, dass Lernenden die Fährte für die Themen der Erklärungen verlieren. Kurzum, sie wissen nicht, mehr worum es geht. Durch eine hohe Proportionalität erleichtern wir es den Lernenden, die Spur der Erklärung zu halten. Ein ganz ähnliches Prinzip gibt es in der Datenvisualisierung und wird als Data-Ink-Ratio bezeichnet (Tufte, 2001). Dieses Prinzip besagt, dass der größte Anteil der Farbe in einer Datenvisualisierung für das Anzeigen der Daten verwendet werden sollte. Bei einem Balkendiagramm beispielsweise sollte keine Farbe für den Hintergrund der Grafik verwendet werden, sondern für die Balken, welche die Daten kennzeichnen. Auch hier ist der Zweck des Prinzips, dass es Lernenden vereinfacht wird, zu sehen, worum es in einer Darstellung geht.

Herstellung lokaler Kohäsion

Die bisher angesprochenen Prinzipien drehen sich um die Erklärung als Ganzes. Sie schaffen einen Fokus auf die zentralen Themen einer Erklärung. Man bezeichnet diese Mittel als globale Kohäsionsmittel. Eine andere Form der Kohäsionsmittel werden als lokale Kohäsionsmittel beschrieben. Sie verhelfen es Lernenden, dem Gedankengang einer Erklärung Stück für Stück zu folgen. Meist schaffen wir lokale Kohäsion in Erklärungen, indem wir Worte zwischen Sätzen wiederholen. Schauen wir uns hierzu erneut den Auszug der Erklärung von Sinnott-Armstrong an. In der folgenden Tabelle wird verdeutlicht, durch welche lokalen Kohäsionsmittel die Sätze miteinander verbunden sind. Links steht der jeweilige Satz, rechts das Kohäsionsmittel:

Satzlokales Kohäsionsmittel
Argument is an intellectual process.Keines, da erster Satz
It's a process not just of asserting your views, but of giving some kind of reason for your views.Wortwiederholung
An argument is a connected series of statements to establish a proposition.
I take it they mean intended to establish a certain proposition.Wortwiederholung
It\'s a series of statements, and statements are made in language, so arguments are made of language.Pronomen
It also tells you what the purpose of argument is.Pronomen
The purpose of argument, they say, is to establish a certain proposition.Wortwiederholung
This definition gives us a nice contrast.Zusammenfassende Aussage des ganzen vorherigen Satzes
Because there are lots of other series of statements or sentences that don\'t count as arguments because they\'re not intended to establish a proposition.Konnektiv
Consider for example a novel, which has statements about what\'s going on, but it\'s not necessarily trying to establish any particular proposition.Wortwiederholung
Or a dictionary might have a series of definitions, but it\'s not intended to establish a certain proposition.Wortwiederholung
Instead, novels and dictionaries order sentences in a different way.Konnektiv
They order them either chronologically or alphabetically whereas, arguments are trying to put statements into a certain structure that reflects the order of reasoning in order to establish the proposition.Pronomen
The purpose of an argument is not always to establish a proposition because some propositions that are conclusions of arguments, we already knew.Wortwiederholung
Consider for example a mathematical proof.
If someone tries to prove the Pythagorean theorem in geometry.Spezifischere Aussage des vorherigen Satzes
People already believe the theorem.Wortwiederholung
They already knew that it was true.Pronomen
So they weren't trying to establish the proposition.Konnektiv
But the proof does something else, it shows you how that proposition is connected to the axioms of the system.
It helps you understand why the proposition is true.Wortwiederholung

In nur drei Sätzen verwendet er kein lokale Kohäsionsmittel. Ansonsten wiederholt er häufig Worte zwischen Sätzen, verwendet Pronomen, um auf vorherige Begriffe zu referenzieren und fügt Konnektive ein, die aufzeigen, in welchem Zusammenhang die Ideen zwischen Sätzen stehen. Texte, die nicht lokal kohäsiv sind, etablieren wenige dieser lokalen Kohäsionsmittel. Die Erklärung liest sich als Folge zerstückelt und die Lernenden können dem Gedankengang der Erklärung nicht folgen.

Kohäsion verbessert das Verständnis von Erklärungen

Erklärungen, die kohäsiv geschrieben sind, sind verständlicher, insbesondere für Lernende mit wenig Vorwissen (Britton & Gülgoz, 1991; McNamara & Kintsch, 1996). Britton und Gülgoz beispielsweise ließen 170 Studierende zwei verschiedene Erklärungen lesen. Die beiden Erklärungen unterschieden sich im Grad ihrer Kohäsion. Die Autoren wanden drei Prinzipien an, um die Kohäsion in den Texten zu stärken: (1) Worte wurden zwischen benachbarten Sätzen wiederholt; (2) Die Lesbarkeit der Texte wurde erleichtert, indem die letzte Information aus dem vorherigen Satz, die erste Information aus dem aktuellen Satz ist (siehe Thema-Rhema-Gliederung); (3) Alle Schlussfolgerungen, die zum Verständnis notwendig sind, allerdings nicht im Text explizit angesprochen sind, wurden explizit eingeführt. In der unteren Tabelle siehst du ein Beispiel aus einem ihrer Texte, indem du sehen kannst, wie diese Prinzipien umgesetzt wurden:

Nicht-kohäsive ErklärungKohäsive ErklärungPrinzip
By the fall of 1964, Americans in both Saigon and Washington had begun to focus on Hanoi as the source of the continuing problem in the South.By the beginning of 1965, American officials in both South Vietnam and the U.S. had begun to focus on North Vietnam as the source of the continuing war in South Vietnam.Prinzip 3: Spezifischere Verwendung der Begriffe in der überarbeiteten Version.
As frustration mounted over the inability of the ARVN to defeat the enemy in the field, pressure to strike directly at North Vietnam began to build.The South Vietnamese army was losing the ground war against North Vietnam and this caused frustrations among the American officials.Prinzip 1: South Vietnam wird wiederholt. Prinzip 2:: Erst wird über die alte Information (South Vietnamese) gesprochen, dann die neue Information präsentiert (losing the ground)
The frustrations led to pressure to bomb North Vietnam. The idea of bombing North Vietnam found support among nearly all the American officials.Prinzip 1: Der Begriff frustration wird wiederholt. Prinzip 2: Erst frustration, dann Bombardierung. Prinzip 3: Die Information, dass die Idee der Bombardierung untersützt wurde, wurde nachträglich explizit eingeführt.
Although there was near unanimity among American officials over the aerial extension of the war into North Vietnam, serious differences arose over both the objective and the methods to be used.However, the civilian and military officials had serious differences over both the objective and the methods of the bombing attacks.Prinzip 1: officials wird wiederholt

Diejenigen Lernende, welche die verbesserte Erklärung lasen, konnten sich an mehr Fakten aus dem Text erinnern und verstanden den Text besser als Lernende, die den nicht-kohäsiven Text lasen. Ganz ähnliche Ergebnisse fanden McNamara und Kintsch (1996). Studierende, die kohäsivere Texte lasen, erinnerten sich an mehr Fakten aus dem Text und hatten ein besseres Verständnis der Textinhalte.

Kurzum, kohäsive Erklärungen sind in der Regel verständlichere Erklärungen. Bei der Konzeption von Erklärungen für E-Learning Kurse sollten wir daher ein paar Dinge beachten. Zunächst ist es wichtig, dass die Lernenden wissen, worüber wir sprechen. Wir haben gesehen, dass das Wissen um das Thema einer Erklärung eine Erklärung verständlicher macht. Zudem sollten wir versuchen eine thematische Konsistenz in den Begriffen aufzubauen, indem wir über wenige, aber zentrale Begriffe sprechen und diese räumlich im Text nah beieinander halten. Zuletzt sollten wir aneinanderlegende Sätze verbinden, indem wir Konzepte wiederholen und die Thema-Rhema-Gliederung beachten.

Erklärungen sollten durch Follow-up Aktivitäten begleitet werden

Indem wir die Kohäsion in Erklärungen erhöhen und die Erklärungen dem Wissensstand der Lernenden anpassen, verbessern wird die Güte unserer Erklärungen. Um wirklich lernförderlich zu sein, sollten wir Erklärungen immer durch Follow-up Aktivitäten begleiten.

Webb und Farivar (1999) konnten den förderlichen Effekt von Follow-Up Aktivitäten in einer umfassenden Studie deutlich zeigen. Sie ließen in mehreren siebten Klassen 184 SchülerInnen kooperativ in Lerngruppen lernen. Die Schüler*innen wurden angehalten, nach Hilfe zu fragen, wenn sie in der Gruppe Aufgaben nicht lösen konnten. Die Gespräche innerhalb der Gruppen und mit der Lehrkraft wurden zudem aufgezeichnet und später kodiert. Die Ergebnisse zeigten, dass Erklärungen dann besonders wirksam waren, wenn die Schüler*innen nach den Erklärungen weitere Aufgaben zu den Erklärungen lösten. In den Worten der Autoren: „The best predictors of achievement were students' pretest scores and their constructive activity on the problem after the one on which they needed help" (S. 131) und "The results of this study confirmed two of the major conditions that need to be met for help that students receive to be effective for learning: (a) the help received must be elaborated explanations and (b) the student receiving the help must actively use the explanation to try to solve problems for himself or herself." (S. 144). Wenngleich die Ergebnisse für SchülerInnen gefunden wurden und in keinem E-Learning Setting untersucht wurden, zeigen sie deutlich, dass Erklärungen keine hinreichende Bedingungen für Lernen sind. Um wirksam aus Erklärungen zu lernen, müssen Lernende sich geistig vertieft mit den Inhalten beschäftigen, die sich kurz davor angeeignet haben.

Die Wichtigkeit von Follow-Up Aktivitäten zeigt sich allerdings auch in Settings, welche dem E-Learning näherstehen. Worked-Examples sind ausgearbeitete Lösungsbeispiele, die sich als lernförderlich erwiesen haben (Wittwer & Renkl, 2010). Worked-Examples können als prozedurale Erklärungen verstanden werden, in denen eine Lehrkraft die einzelnen Schritte eines Problems vormacht und tiefergehend erklärt. Eine Vielzahl an Studien fand, dass Worked-Examples begleitet von Selbsterklärungen von Lernenden wirksamer sind als wenn Lernende lediglich Worked-Examples erhalten (Atkinson et al., 2003; Schworm & Renkl, 2006). In Selbsterklärungen werden Lernenden während oder nach dem Lernen gebeten, ihren Lernprozess laut zu artikulieren (Dunlosky et al., 2013). In anderen Worten, sie sollen den Lerngegenstand für sich selbst erklären. Lernende werden dadurch gezwungen, das neue Wissen mit ihrem Vorwissen zu verbinden. Der förderliche Effekt der Selbsterklärungen könnte darauf zurück zu führen sein, dass sie eine tiefere Verarbeitung des Lernstoffes verlangen. Diese Erklärung für den Effekt wird dadurch unterstützt, dass weitere anderweitige Erklärungen (z.B. Begriffserklärungen) keinen zusätzlichen Mehrwert zu prozeduralen Erklärungen haben (Schworm & Renkl, 2006; Wittwer & Renkl, 2010). Offensichtlich benötigen Lernende nach einer Erklärung konstruktive Lernmöglichkeiten, um den Inhalt der Erklärung zu festigen.

Beispielsweise gibt es ein paar Studien, die Lernende beim Betrachten von E-Learning Videos gebeten haben, verschiedene konstruktive Aktivitäten durchzuführen. Lawson et al. (2006) zum Beispiel ließ 127 Studierende ein Video zum Thema soziale Psychologie ansehen. Die Hälfte der Studierenden erhielt vor den Videos Leitfragen, die sie beantworten sollten (indem sie die Antworten aufschreiben sollten) während sie das Video betrachteten. Wie erwartet lernten Studierende mit diesen Leitfragen mehr als ohne die Leitfragen. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass der Effekt relativ klein war. Ähnliche Ergebnisse wie bei Lawson et al. wurden von Kreiner (1997) gefunden. Erneut sollten Lernende, während sie Videos ansahen, Fragen zu den Videos beantworten, Notizen machen oder die Inhalte einzelner Videoabschnitte für sich zusammen fassen. Lernende, die Fragen beantworteten, die sie vor dem Video erhielten und welche zwischen den Videoabschnitten die Inhalte zusammenfassten, konnten sich an mehr Fakten aus dem Video erinnern als Studierende, die Notizen machten oder keine weiteren Follow-Up Aktivitäten umsetzten. Für Transferfragen fand Kreiner keine Unterschiede. Diese beiden Studien zeigen erneut, dass eine tiefere Beschäftigung mit den Inhalten von Erklärungen lernförderlicher sind als Erklärungen allein.

Für E-Learning EntwicklerInnen ergeben sich aus diesen Studien mehrere Konsequenzen. Zunächst sollten Erklärungen nicht die einzigen Lernaktivitäten in E-Learning Kursen sein. E-Learning EntwicklerInnen sollten häufig Aufgaben und Probleme während und nach Erklärungen anbieten, um die Lerninhalte weiter zu festigen. Viele Kurse, unter anderem auch sehr beliebte (siehe Wes Bos) konzentrieren sich fast ausschließlich auf instruktionale Videos als Form der Didaktik. Zum einen setzten sie damit eine stark reduzierte Form der direkten Instruktion um, zum anderen verleiten solche Kurse Lernende dazu, ihren Lernerfolg zu überschätzen. Die einfache Verarbeitung der Videos könnte als Hinweis für Lernende gelten, dass sie viel gelernt haben. Dieser Hinweis ist allerdings häufig ein Fehlurteil von Lernenden und führt dazu, dass sie ihr Wissen falsch einschätzen (Undorf & Erdfelder, 2011) und als Folge keinen weiteren Aufwand betreiben, den Lernstoff zu vertiefen.

Zusammenfassung

Erklärungen sind das beliebteste didaktische Mittel in E-Learning Kursen. Erklärungen allein sind allerdings selten lernförderlich. In diesem Modul haben wir versucht, zentrale Bedingungen lernwirksamer Erklärungen zu beschreiben. Wir haben zunächst gezeigt, dass Erklärungen implizite und explizite Fragen von Lernenden beantworten und den Lernstoff systematisch für Lernende entfalten. Auf Grundlage dieser Definition haben wir die Metapher des klassischen Stils kennengelernt, nach denen Erklärungen konzipiert werden können. Der klassische Stil zwingt E-Learning EntwicklerInnen konkrete Objekte in der Welt zu zeigen. Lernende können damit das für sie Unbekannte besser erfahren und mit ihrem Wissen verbinden. Zudem zwingt der klassische Stil die EntwicklerInnen die Lerninhalte klar und präzise als eine Form der Wahrheit zu präsentieren. Hierdurch werden die Lernenden als kompetente und kooperative ZuhörerInnen angesehen, deren Aufgabe es ist, die Welt der Erklärung zu sehen. Wenn allerdings ExpertInnen Erklärungen schreiben, vergessen sie häufig, für wen sie die Erklärungen schreiben. Insbesondere haben wir gesehen, dass ExpertInnen das Wissen von Lernenden häufig überschätzen und die Tendenz haben, ihr über Jahre erworbenes zusammenhängendes Wissen, zu wenig für Lernende zu entfalten. Dieser Fluch des Wissens sollte bei Erklärungen von ExpertInnen stets beachtet werden, um die Lernenden dort abzuholen, wo sie mit ihrem Vorwissen stehen. Ein weiteres Kriterium guter Erklärungen war die Textkohäsion. Wir haben gesehen, dass kohäsive Erklärungen verständlicher sind als nicht-kohäsive Erklärungen. Zudem haben wir Techniken kennengelernt, mit denen die Kohäsion in Erklärungen gesteigert werden kann. Zuletzt haben wir gezeigt, dass Erklärungen immer durch Follow-Up Aktivitäten wie weitere Aufgaben, Probleme oder Selbsterklärungen erweitert werden sollten. Diese Follow-Up Aktivitäten stärken die Lernwirksamkeit von Erklärungen und zwingen Lernende, sich tiefer mit dem Lernstoff zu befassen.

Weiterführende Literatur

Einführende Literatur

Malamed, C. (2020, April 04). What makes a good instructional explanation?. https://theelearningcoach.com/elearning_design/instructional-explanations/

Pinker, S. (2015). The sense of style: The thinking person's guide to writing in the 21st century. Penguin Books.

Fachliteratur

Berthold, K., & Renkl, A. (2010). How to foster active processing of explanations in instructional communication. Educational Psychology Review, 22(1), 25-40. https://doi.org/ 10.1007/s10648-010-9124-9

Chi, M. T., Siler, S. A., Jeong, H., Yamauchi, T., & Hausmann, R. G. (2001). Learning from human tutoring. Cognitive Science, 25(4), 471-533. https://doi.org/10.1207/s15516709cog2504_1

Dunning, D., Johnson, K., Ehrlinger, J., & Kruger, J. (2003). Why people fail to recognize their own incompetence. Current Directions in Psychological Science, 12(3), 83-87. https://doi.org/10.1111/1467-8721.01235

Wittwer, J., & Renkl, A. (2010). How effective are instructional explanations in example-based learning? A meta-analytic review. Educational Psychology Review, 22(4), 393-409. https://doi.org/10.1007/s10648-010-9136-5