Digitale Medien und Lernen

Grundlagen des E-Learning

Letztes Update: 28. Januar 2021

Thomas ist ein 26-jähriger Masterstudent, der aktuell Forstwissenschaft an der Universität Weihenstefan studiert. Er nutzt jeden Tag das Internet und verwendet den Laptop, um seine Lernunterlagen zu organisieren, während Vorlesungen Notizen zu machen und Präsentationen vorzubereiten. Nicht selten öffnet er YouTube, um sich Lehrvideos zu Inhalten anzusehen, die er im Studium noch nicht gut verstanden hat. Seine Fachartikel druckt er meist aus. Er meint, er kann sich so besser beim Lesen konzentrieren. Zudem möchte er kein Geld für einen E-Reader ausgeben. Für die Anfertigung seiner Notizen verwendet er eine App und nutzt sie vor allem als Nachschlagewerk. Thomas ist aber sicher kein perfekter Lerner. Manchmal möchte er sich für zwei Stunden konzentriert hinsetzen, lenkt sich dann doch häufig auf YouTube ab. Dann guckt er öfters auf sein Smartphone, obwohl er keine wichtige Nachricht erwartet und verliert sich ab und an für eine halbe Stunde auf TikTok.

Thomas ist ein typischer NutzerInnen digitaler Technologien. Er ist gut ausgebildet und mit dem Internet aufgewachsen. Über Personen wie Thomas und damit vermutlich auch dir wissen wir relativ viel (D21-Digital-Index; Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung, 2019). Einerseits wissen wir, dass Jugendliche und junge Erwachsene immer mehr digitale Medien in ihrem täglichen Leben einsetzen. Beispielsweise besitzen in der Altersgruppe von 12 bis 19 über 95% der Jugendlichen Smartphones (Bildung in Deutschland, 2020, S. 238). Thomas ist zudem ziemlich privilegiert, auch wenn ihm das vielleicht nicht bewusst ist. Während in etwa 99% der Haushalte des oberen wohlhabenden Viertels einen Internetanschluss haben, ist dies nur für 80% des unteren Viertels der Wohlstandsverteilung der Fall (Bildung in Deutschland, 2020, S. 239). Wenn die Trends allerdings so weiter gehen, ist die Durchsetzung digitaler Medien in der Gesellschaft bald vollkommen. Menschen stehen in der Folge vor einer Vielzahl an Entscheidungen im Umgang mit digitalen Medien. Thomas beispielsweise hat sich entschieden, sein Fachartikel auf Papier zu lesen. Er hat sich auch dazu verleiten lassen, sich durch sein Smartphone beim Lernen ablenken zu lassen. Die entscheidende Frage ist, welchen Einfluss die Anwesenheit und die Nutzung digitaler Medien auf unser Lernen hat? Wir haben im letzten Modul gesehen, dass digitale Medien weder schlecht noch gut sind, wenn sie spezifisch als E-Learning Kurse verwendet werden. In diesem Modul durchleuchten wir die Forschungsliteratur darauf hin, ob allein die Nutzung der Technologien bestimmte Nachteile oder Vorteile hat. Und um es vorweg zu nehmen: Die Studien der letzten Jahre deuten darauf hin, dass der Gebrauch von digitalen Medien nicht sonderlich lernförderlich ist. Und der Grund liegt vermutlich in den Affordanzen und Beschränkungen dieser Technologien.

Affordanzen und Beschränkungen digitaler Medien

Wenn Thomas nachts im Bett liegt, scrollt er noch gerne einmal durch YouTube, bevor er die Augen schließt. Er hat nicht wirklich ein Ziel dabei, er lässt sich treiben. Nach jedem Video scrollt weiter runter. Und weiter. Und weiter. Bis? Bis gar nichts! Die Videos hören nie auf. Diese Eigenschaft der App ist kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung der EntwicklerInnen solcher Dienste. Google unter anderem hat sich die Technologie des unendlichen Scrollens bereits 2010 patentieren lassen. Der Zweck dieser Idee ist folgender: Wir sollen so viel Zeit wie möglich mit den Diensten verbringen (Harrias, 2017). Oder anders gesagt, wir werden an den Haken genommen (siehe Eyal Nir). Nira Eyal bezeichnet diese Idee den Hook-Cycle. Dieser funktioniert in etwa so: Zunächst müssen NutzerInnen getriggert werden. Entweder von außen, indem sie Notifikationen erhalten. Oder von innen, indem wir selbst ein Verlangen entwickeln, die Dienste zu verwenden. Beispielsweise wenn uns langweilig ist. Im zweiten Schritt nutzen die NutzerInnen das Produkt. Sie nutzen es umso bereitwilliger, je geringer der Aufwand ist, die Applikation zu starten (Foot-in-the-door Prinzip). Oder, hattest du jemals Probleme, ein YouTube Video aufzurufen oder eine WhatsApp Nachricht zu beantworten? Die EntwicklerInnen geben sich sehr viel Mühe damit, diese Kosten zu minimieren. Im nächsten Schritt erhalten wir eine Belohnung. Wir können entweder unterhalten werden (z.B. TikTok) oder wir erhalten interessante Informationen (z.B. Twitter). Entscheidend ist, dass diese Belohnungen variieren. Jedes Mal, wenn du bei Twitter beispielsweise die Startseite öffnest, siehst du neue Nachrichten. Bei YouTube siehst du bei jedem Refresh andere Videos (versuche es ruhig selber und öffne YouTube mehrmals). Im nächsten Schritt machst du ein kleines Investment. NutzerInnen sollen tatsächlich etwas arbeiten. Dieser Punkt mag wunderlich erscheinen, warum sollte mich meine eigene Arbeit mehr an das Produkt binden? Nun, hast du schon einmal ein Ikea-Regal zusammen gebaut? Hat es sich nicht gut angefühlt, den fertigen Schrank endlich zu sehen? Dieser Ikea-Effekt funktioniert auch bei Apps. Wir beteiligen uns, indem wir ein Video liken, ein Kommentar hinzufügen oder etwas teilen. Vielmehr noch, wir werden Teil einer Gemeinschaft. Der Hook-Cycle führt zu etwas, was UX-Designer gerne den Vortex (den Strudel) nennen. Wie ein Strudel zieht uns das Produkt immer tiefer hinein bis wir nicht mehr herauskommen. Dieser Strudel führt uns häufig soweit, dass wir unser ursprüngliches Ziel vergessen. Typische Auslöser für den Vortex sind Notifikationen als auch mentale Trigger wie Langeweile. Wir haben beispielsweise Sorge, etwas zu verpassen (Milyvskaya et al. 2018).

Vergleichen wir dieses Modell mit einem Buch. Ein Buch hat einen endlichen Inhalt. Ist das Buch zu Ende, gibt es nichts mehr zu lesen. Bücher haben zudem nicht die Möglichkeit, andere Inhalte zu laden. Wenn ich das Buch zuschlage und wieder öffne steht immer noch der gleiche Text drin. Ich kann allerdings ein wenig Arbeit aufwenden, indem ich in das Buch hineinkritzle. Bücher geben mir allerdings keine Push-Nachrichten. Sie sind geduldig und sitzen auch Jahrzehnte in meinem Regal, ohne einen Mucks von sich zu machen. Ebenso nehme ich ein Buch zur Hand, wenn ich mich länger mit dessen Inhalten beschäftigen möchte. Ein Smartphone nehme ich zur Hand, um mich zu unterhalten oder schnell etwas nachzuschlagen. Diese Unterschiede nennen wir Affordanzen und Beschränkungen.

Affordanzen sind Eigenschaften von Objekten, die uns suggerieren, wie wir sie benutzen sollen (Norman, 2018). Apps auf dem Smartphone sind so gestaltet, dass wir sie immer wieder in die Hand nehmen möchten. Dies ist eine Affordanz. Das unendliche Scrolling ebenso, da wir das Bedürfnis entwickeln, neue Inhalte zu entdecken. Bücher wiederum haben andere Affordanzen. Sie liefern ihren Wert erst langsam, nachdem wir ein paar Seiten gelesen haben. Ihre Affordanz ist die ruhige Beschäftigung mit einem Thema ohne Ablenkungen. Affordanzen können aber auch auf andere Objekte angewandt werden. Ein Stuhl hat die Affordanz, dass man sich darauf setzt. Affordanzen bei digitalen Geräten sind für deren Einfluss auf Lernen ein wichtiges Konzept, da sie uns erklären können, weshalb sie einen Einfluss auf Lernen haben. Nehmen wir das Smartphone. Da Smartphones die Affordanz haben, dass wir immer wieder drauf schauen, lenken sie uns ebenso ständig ab. Papier hat diese Affordanz nicht. Durch diesen Unterschied könnte man erklären, weshalb das Lesen auf Papier etwas lernförderlicher ist als auf Smartphones (tatsächlich ist das so, mehr dazu gleich).

Beschränkungen wiederum kennzeichnen physische, logische und kulturelle Einschränkungen in der Nutzung eines Objektes. Häufig sind Beschränkungen hilfreich, da sie den Interpretationsspielraum für die Nutzung des Gerätes verkleinern. Ein Messer beispielsweise hat die Beschränkung, dass wir es nicht an der Klinge anfassen sollten. Oder nehmen wir Smartphones. Smartphones haben ein kleines Display (siehe hier). Wir können auf dem kleinen Display häufig nicht alle notwendigen Informationen auf einmal sehen. Man stelle sich vor, wie ein Feldherr in einem Krieg seine Karte auf einem Smartphone ausbreiten möchte, um heraus zu finden, wo er seine Truppen positionieren möchte. Er wäre massiv behindert, da er nicht die ganze Karte überblicken kann. Da Smartphones ohnehin so klein sind, versuchen EntwicklerInnen daher meist, den Chrome von mobilen Browsern zu minimieren (siehe auch content-to-chrome-ratio). Eine weitere Beschränkung von Smartphones ist, dass Inhalte manchmal nicht zugänglich sind. Stell dir vor, du sitzt in einem Zug, fährst durch einen Tunnel und das Netz bricht weg. Bücher haben diese Beschränkung nicht; dafür kann man sie nicht lesen, wenn es dunkel ist. Beschränkungen verschieben sich zudem. Noch vor Jahren waren Smartphones äußerst ungeeignet, Notizen zu verfassen. Man musste mühselig auf dem Keyboard Worte abtippen. Mittlerweile existiert diese Beschränkung in Smartphones nur noch bedingt, da sich Notizen per Spracherkennung einsprechen lassen. Auch Beschränkungen sind entscheidend für Lernprozesse und wir werden gleich sehen warum. Ein Beispiel vorweg: Laptops haben noch die Beschränkung, dass sie die Anfertigung von Zeichnungen erschweren. Die wenigsten Lernenden haben ein beschreibbares Display. Die Folge dieser Beschränkung ist, dass Lernende sich nur begrenzt in Notizen ausdrücken können. Auf Papier verschwindet diese Beschränkung. Dies sind subtile Unterschiede, die Ergebnisse der Forschung sprechen allerdings dafür, dass sie einen Unterschied machen.

Wie digitale Medien das Lernen beeinflussen können

Wie diese Affordanzen und Beschränkungen auf unser Lernen wirken, werden wir anhand von fünf Forschungsfeldern besprechen. Für jedes dieser Forschungsfelder stellt sich die gleiche Frage: Welchen Einfluss hat ein digitales Medium an sich auf Lernprozesse? Nicht die Inhalte des Mediums sind daher entscheidend, sondern deren Präsenz bzw. Nutzung. Im Grunde fragt man sich für jedes Medium, welche Auswirkungen haben die Affordanzen und Beschränkungen der Geräte auf Lernprozesse. Das erste Forschungsfeld hat sich mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss der Gebrauch von Laptops auf das Lernen hat. In diesen Forschungen wurden Studien durchgeführt, in denen der Gebrauch von Laptops erlaubt wurde oder nicht. In den Klassen mit Laptops wurden die Laptops nicht explizit als Lehrmedium verwendet, Lernende nutzten die Geräte eben im Unterricht, ohne angeleitet zu werden, wie sie diese Geräte benutzen sollten. Die zweite Forschungsreihe hat sich mit dem Gebrauch von Smartphones im Unterricht, bzw. in Vorlesungen beschäftigt. In diesen Studien hatten Lernende die Möglichkeit, ein Smartphone zu benutzen oder nicht. Ebenso wurden Studien durchgeführt, in denen der Gebrauch von Smartphones überwacht wurde. Durch solche Studien konnte man untersuchen, welchen Zusammenhang der Gebrauch von Smartphones mit dem Lernerfolg der Lernenden hat. Diese Studien sind häufig unter dem Titel Multitasking beschrieben, da Lernende mit Smartphones häufig mehrere Dinge gleichzeitig machen (z.B. Surfen und dem Unterricht zuhören). Die dritte Forschungsreihe hat sich gefragt, ob es einen Unterschied macht, dass wir Lerninhalte per Papier oder auf dem Laptop mitschreiben. Immer mehr Studierende verwenden Laptops zur Mitschrift. Die vierte Forschungsreihe hat die umgekehrte Frage gestellt. Macht es einen Unterschied, ob wir auf Papier oder auf einem digitalen Gerät lesen? Die fünfte Forschungsreihe hat sich gefragt, inwieweit die Ablage von Informationen unser Lernen verändert. Dadurch, dass wir mittlerweile fast alles nachschlagen können, sind wir weniger darauf angewiesen, uns Dinge zu merken. Nur, lernen wir dadurch auch weniger? Diesen Prozess nennt man Cognitive Offloading und wurde auch schon in einer Reihe an Studien untersucht.

Laptops im Unterricht oder nicht?

Nicholas Negroponte, der Mitbegründer des MIT Media Lab, lüftete im Jahr 2005 in Tunesien einen kleinen grünen Laptop. Der Laptop war Teil des One Laptop per Child Programs, welche es sich zur Mission gemacht hat, Lernende auf der ganzen Welt mit günstigsten Laptops auszustatten (Bareham, 2018). Die "grüne Maschine" kostete nur 100 Dollar und sollte vor allem in ärmeren Ländern die Nutzung von Laptops ermöglichen. Kofi Annan, der damalige UN Generalsekretär, äußerte damals die Hoffnung, dass das Programm tiefgreifende ökonomische und soziale Entwicklungen ermöglichen könnte (siehe seine Rede aus dem Jahr 2005). Man versprach sich, dass Kinder mit Hilfe dieser Laptops, aktiv lernen werden und die tradierte Form des Frontalunterrichts obsolet wird. Im Jahr 2016 waren bereits 2.5 Millionen dieser Laptops in Gebrauch (Ames, 2016) und das Projekt in vollem Gange. 14. Jahre später, im Jahr 2019, machte Deutschland seinen eigenen Vorstoß mit dem Digitalpakt beschlossen. Insgesamt 5 Milliarden Euro plant der Bund und die Länder für die Digitalisierung der Schulen zur Verfügung zu stellen. Rein rechnerisch ermöglicht es der Digitalpakt für jeden Schüler und jede Schülerin 500 Euro auszugeben. Herr Negroponte wäre begeistert, schließlich könnte man von dem Geld fünf "grüne Maschinen" pro SchülerIn kaufen. Allerdings wird nicht das ganze Geld in mobile Endgeräte investiert. Denn nur 20% der Fördermittel pro Schulträger können bei Beantragung von Mitteln für mobile Endgeräte wie Laptops bereitgestellt werden. Die Corona-Pandemie trieb den Bund später im April 2020 dazu, weitere 500 Millionen Euro für mobile Endgeräte zur Verfügung zu stellen (Bundesministerium für Bildung und Forschung), welche fast ein Jahr später, ab Januar 2021, ausgeschüttet wurden (siehe Pressemitteilung).

Nur, warum zielen diese Initiativen darauf ab, SchülerInnen mit Laptops auszustatten? Deutet nicht der Replacability Test aus dem letzten Kapitel bereits an, dass technische Geräte allein kein ein Allheilmittel guter Lehre sind? Beide Initiativen wissen um dieses Problem. Das "One Laptop per Child" Program ergibt sich eben nicht nur daraus, SchülerInnen Laptops zur Verfügung zu stellen. Es umfasst ebenso die Entwicklung von E-Learning Produkten, Training von Lehrkräften und technischen Support. Ebenso betont die Pressestelle des Digitalpakts geduckt und betont, dass kein Medium alleine gute Bildung ermöglicht (siehe hier). Nicht jede Schule erhält allerdings diesen Support. Und nicht jede Schule weiß mit Laptops guten Unterricht umzusetzen. Und meist verwenden Lehrkräfte neuen Technologien mit der alten Didaktik. Justin Reich nennt dieses Phänomen den Fluch des Familiären (Reich, 2020). Laut diesem Fluch passiert folgendes: Eine Lehrkraft, die durch die Corona-Pandemie ihre Vorlesung per Zoom anbieten muss, wird die genau gleichen didaktischen Ideen verwenden, als ob sie vor einem Vorlesungssaal stünde. Sie wird in die Runde "gucken" und prüfen, ob jemand eine Frage hat. Nur, die Runde ist nicht sichtbar, da viele Lernende die Kamera ausgeschaltet haben. Sie wird ihre Folien aufschlagen und fragen: "Könnt ihr die Folien sehen?". Nur diesmal sitzen alle Lernende mit dem gleichen Abstand vor den Folien. Jeder kann die Folien sehen. Kurzum: Sie wird so tun als stünde sie in einem Vorlesungssaal. Für den Einsatz von Laptops gilt das gleiche. Wir müssen uns daher fragen, welchen Einfluss der Einsatz von Laptops in Klassenräumen hat, wenn er nicht begleitet wird. Wenn die Lehrkräfte nicht in der Verwendung von Laptops geschult werden. Wenn die Laptops einfach nur von den SchülerInnen begleitend im Unterricht eingesetzt werden? Erste Befunde hat die Forschung bereits.

Und die bisherigen Ergebnisse sind nicht ermutigend. In den meisten Studien lernten Lernende, die einen Laptop verwendeten weniger als Lernende, die keinen Laptop verwendeten (Carter et al., 2017; Glass & Kang, 2019; Patterson & Patterson, 2017). Eine umfangreiche Studie wurde beispielsweise von Carter et al. (2017) durchgeführt. An einer Militärakademie teilte man 726 aus 50 Klassen in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe erhielt während dem Unterricht Zugang zu ihren Laptops und Tablets. Die zweite Gruppe erhielt Zugang zu ihren Tablets, musste diese allerdings flach auf den Tisch legen. In der dritten Gruppe waren keine technischen Geräte erlaubt. Diejenigen Gruppen, welche die mobilen Endgeräte benutzen durften, wurden angewiesen die Geräte zur Anfertigung von Notizen und zum Lesen des digitalen Lehrbuchs zu verwenden. Lehrkräfte wurden angewiesen, lernirrelevante Nutzungen der Geräte zu unterbinden. Alle Klassen hatten zudem den gleichen didaktischen Aufbau. Die Ergebnisse zeigten, dass Lernende, welche mobile Geräte nutzen durften, in der Klausur schlechter abschnitten als Lernende, die keine mobilen Geräte nutzen durften. Dieses Ergebnis ist besonders erstaunlich, da den Lernenden gesagt wurde, dass sie die Geräte nur für lernrelevante Tätigkeiten nutzen dürfen. Der Effekt war allerdings nicht sehr groß. Der Unterschied entspricht in etwa 1.7 Punkte auf einer Skala von 100 Punkten. Glass und Kang (2019) führten eine ähnliche Studie durch, in der 118 Studierenden über 23 Vorlesungen einen Kurs zum Thema kognitive Psychologie besuchten. Die Vorlesung wurde zweimal angeboten. Der ersten Gruppe wurde für die erste Hälfte der 23 Vorlesungen verboten, mobile Endgeräte zu benutzen. Der zweiten Gruppe wurden mobile Endgeräte für die zweite Hälfte verboten. Die Ergebnisse zeigten, dass Studenten schlechter in denen Teilen der Klausur abschnitten, in denen sie mobile Geräte nutzen durften. Interessanterweise gab es keine Unterschiede bei Fragen, die während der Vorlesung gestellt wurden (Multiple-Choice Fragen in diesem Fall). Damit konnten Glass und Kang zum ersten Mal die Langzeitfolgen der Verwendung digitaler Endgeräte im Unterricht zeigen. Das gleiche Ergebnis fanden Patterson und Patterson (2017). In ihrer Studie wurden drei Gruppen unterschieden. In Klassen wurde der Gebrauch von Laptops (a) vorausgesetzt, (b) erlaubt oder (c) verboten. In ihrer quasi-experimentellen Studie fanden auch sie, dass Studierende in Klassen, welche Laptops nutzten schlechter abschnitten als Studierenden, die keine Laptops nutzen durften. Erneut wurde der Gebrauch von Laptops in dieser Studie nicht in die Klassen integriert. Es ging lediglich um die Nutzung der Geräte. In nur wenigen Studien drehte sich der Effekt um. Gulek und Demirtas (2005) beispielsweise untersuchten in einer quasi-experimentellen Studie (ProbandInnen wurden nicht willkürlich in Gruppen eingeteilt) an 259 SchülerInnen, einen Lernvorteil von Laptops. Im Unterschied zu den bisherigen Studien allerdings wurden die Lehrkräfte im Umgang mit Laptops im Unterricht trainiert. Zudem durften die Lehrkräfte freiwillig entscheiden, ob sie eine "Laptopklasse" unterrichten wollten. Es könnte daher sein, dass der positive Effekt der Laptops stärker auf die Lehrkräfte zurück zu führen ist als auf die Technik.

Es ist das eine zu wissen, ob die Benutzung von Laptops im Unterricht zu besseren oder schlechteren Lernresultaten führt. Das andere ist, wie diese Ergebnisse zu Stande kommen? Susan Ravizza und Kollegen hatten folgende Idee: Man könnte alle Internetaktivitäten von Lernenden während einer Vorlesung loggen (Ravizza et al., 2017). Von 507 Studierenden eines Einführungskurses zum Thema Psychologie willigten 84 ein, dass die Daten ihrer Laptops für die Studie gespeichert werden. Vor jeder von insgesamt 15 Vorlesungen sollten sie sich auf einen Server einloggen. Der Server speicherte in anonymisierter Form ihre Webaktivitäten. Und Studierende liebten es zu surfen. In Durchschnitt verbrachten die Studierenden 33% der Vorlesung mit lernirrelvanten Tätigkeiten im Internet. Das wäre an sich nicht dramatisch, würden die Studierenden in der Zeit Verständnisprobleme lösen oder Notizen der Vorlesung anfertigen. Allerdings waren die häufigsten Aktivitäten der Studierenden Social Media, E-Mails, Shopping, Videos angucken, Chatten und Nachrichten lesen; kaum Tätigkeiten, die klausurvorbereitend sind. Je mehr Studierende das Web für lernirrelevante Tätigkeiten nutzten, desto schlechter schnitten sie später in der Klausur ab. Nutzen Studierende das Web für lernrelevante Tätigkeiten, hatte dies keinen Einfluss auf die Punkte in der Klausur. Der negative Zusammenhang zwischen Internetnutzung und Lernen war zudem unabhängig von der Intelligenz der Studierenden. Selbst kluge StudentInnen waren vor dem negativen Einfluss der Laptops nicht gefeilt. Interessanterweise schätzen die Studierenden den negativen Einfluss korrekt ein und berichteten, dass ein erhöhter Gebrauch des Internets mit einer schlechteren Klausurnote in Verbindung steht.

Lernende mit Laptops auszustatten, scheint also nicht zu den erwünschten Ergebnissen zu führen. Der Fluch des Familiären könnte einer der Gründe sein, weshalb die Initiativen von Negroponte und dem Digitalpakt nicht direkt zu einer besseren Didaktik führen. Lehrpersonen müssen wissen, was sie mit Laptops anfangen können. Lernende müssen wissen, wie sie Laptops für ihr Lernen verwenden können. Erneut denke ich dabei wieder an die Metapher der Leinwand, welche nicht über die Schönheit eines Bildes entscheidet. Es kommt auf den Künstler oder die Künstlerin an, ob das Bild etwas in den Betrachtern weckt und als schön empfunden wird. In der Lehre ist der/die KünstlerIn der/die LehrerIn. Sie ist in der Verantwortung mit den technischen Mitteln, welche ihr zwangsläufig zur Verfügung gestellt werden, etwas anzufangen (siehe auch Backfisch et al., 2021). Wie das gehen kann, zeigt unter anderem Dan Meyer. Meyer ist der Leiter der Lehrabteilung der Firma Desmos. Desmos entwickelt mathematische Tools, mit denen Lernende mathematische Formeln simulieren können. Meyer verwendet Desmos unter anderem für seine "Drei-Akten Aufgaben". In diesen Aufgaben zeigt er Lernenden zunächst ein alltägliches Video. Beispielsweise filmt er sich bei einem Versuch einen Ball in einen Korb zu werfen. Oder er filmt sich dabei, wie er einen Treppenlift benutzt. Lernende schauen sich das Video an und stellen Fragen. Beispielsweise: Wird der Ball im Korb landen? Im zweiten Akt gibt Meyer den Lernenden weitere Informationen. Beispielsweise eine Simulation, mit der der Weg des Balls nachgezeichnet werden kann. In diesem Akt setzen sich die Lernenden mit den mathematischen Hintergründen des Problems auseinander und lernen beispielsweise, wie eine Parabel mathematisch beschrieben wird. Im dritten Akt löst Meyer das Problem auf und zeigt, ob der Ball im Netz landet. Dies ist ein wunderbares Beispiel, wie Laptops beziehungsweise die Möglichkeiten von Laptops sinnvoll genutzt werden können. Ich würde viel Geld auf eine Wette setzen, die prüft, ob diese Art der multimedialen Didaktik lernwirksamer ist als konventionelle Lernaufgaben.

Es wäre falsch zu denken, dass Laptops generell schlecht für Lernende sind, selbst wenn die Forschungsergebnisse darauf hindeuten. Um allerdings hilfreich zu sein, brauchen wir noch eine ganze Weile, um für die spezifischen Lehraufgaben in den spezifischen Disziplinen gute Implementationen zu finden die flächendeckend angewandt werden. Fünf Milliarden Euro vom Bund sind ein guter Anstoß hierfür. Der Rest der Arbeit liegt an cleveren InnovatorInnen und Lehrkräften, die gemeinsam Lösungen entwickeln, die das Beste aus dieser Technologie machen.

Smartphones oder der Fluch des Multitaskings

Laptops werden von Lehrkräften häufig noch in Klassen geduldet, Smartphones nicht. YouTube ist voll mit Videos von Lehrkräften, die entweder als Sketch oder in Wirklichkeit die Smartphones ihrer Lernenden zerstören (hier ein kleines Potpourri). Selbst wenn beide Geräte die gleichen Tätigkeiten ermöglichen (z.B. Surfen und E-Mails schreiben), sind Smartphones eher der böse Bruder der Laptops. Ich selbst habe schon mehrmals Lernende darauf hingewiesen, dass sie ihre Smartphones wegstecken sollen und die Rückmeldung erhalten, dass sie doch gerade etwas für das Seminar nachschlagen. Ich war misstrauisch und die Lernenden angefressen, da ich misstrauisch war. Die Frage ist, ob meine Intuition stimmte. Nutzen Lernende Smartphones im Unterricht hautsächlich für lernrelevante Dinge? Oder vergnügen sie sich eher mit YouTube Videos oder Social Media? Die weitverbreitete Skepsis gegenüber Smartphones im Unterricht rührt aus der zweiten Vermutung. Soweit, dass manche gar von einer Smartphone Epidemie sprechen. Skeptiker betonen, dass Smartphones zu zweierlei Dingen führen. Sie kappen regelmäßig unsere Aufmerksamkeit, so dass wir nur kurze Zeit einem Gedankengang folgen können. Und, sie führen dazu, dass wir uns mit vielem aber nicht dem Lernstoff beschäftigen. Daniel Willingham formuliert dieses Problem wie folgt: Wir lernen in der Regel nur die Dinge, die wir aktiv im Geiste verarbeiten. In anderen Worten ist für ihn Lernen das Überbleibsel des Denkens (Willingham, 2010). Denke ich nicht über den Lernstoff nach, werde ich nicht viel lernen. Nutze ich Smartphones für irrelevante Tätigkeiten, werde ich auch nicht viel lernen. Zumindest nicht über die Dinge, die meiner Lehrkraft wichtig sind. Hinzu kommt, dass Smartphones nicht nur durch Ping-Nachrichten unsere Aufmerksamkeit erwerben wollen, sondern in uns selbst gibt es einen Trigger, der uns verleitet, immer wieder nach neuen Nachrichten zu schauen. Auf dem Hintergrund dieser These ist der Gebrauch von Smartphones nur im Unterricht sinnvoll, sofern die Lernenden das Smartphone im Hinblick auf den Lernstoff verwenden. Nur, sind wir ehrlich. Wer tut so etwas? Wo sind diese höchstregulierten Lernende? Zumindest macht uns die Forschung auch hier wenig Hoffnung.

Kates und Kollegen beispielsweise führten eine umfangreiche Meta-Analyse durch, in der sie den Effekt der Nutzung von Smartphones in 39 Studien und 148.883 Lernenden untersuchten (Kates et al., 2018). Drei dieser Studien zeigten keinen negativen Einfluss auf Lernen, der Rest schon. Der gesamte Effekt ist zwar klein, allerdings muss man davon ausgehen, dass sich dieser kleine Effekt über die Zeit akkumuliert, wenn Lernende Smartphones regelmäßig beim Lernen verwenden (siehe Funder & Ozer). Und wenn nicht Smartphones sind es andere Dinge, die uns ablenken. Blasiman et al. (2018) beispielsweise ließen Lernende sechs Dinge tun, während sie eine fünfminütige Präsentation über ein psychologisches Thema ansahen. Studierende sollten während der Präsentation entweder ihre Wäsche falten, ein Videospiel spielen, mit ihrem Smartphone Nachrichten schreiben, ein gering stimulierendes Video ansehen, ein hoch stimulierendes Video ansehen oder der Präsentation aufmerksam folgen. Beispielsweise wurden die Lernenden angewiesen, 12 Hosen, 7 Pullover und drei T-Shirts zu falten. 109 Studierende nahmen an dem Experiment teil. Alle Ablenkungen führten zu einer schlechteren Erinnerungsleistung zu den Inhalten des Videos im Vergleich zu der Gruppe, welche dem Video aufmerksam folgen sollte. Je aktiver die Tätigkeiten waren, desto weniger lernten Lernenden durch das Video. Selbst Wäsche zusammen legen hatte einen negativen Einfluss auf das Erinnerungsvermögen der Studierenden. Weitere Studien fragten sich, wie groß der negative Einfluss des Textens während einer Vorlesung ist. Unter Texten fällt das Schreiben privater Nachrichten als auch das Anfertigen eines Tweets. Kuznekoff et al. (2015) beispielsweise simulierten eine Vorlesungssituation in der Studierende entweder Nachrichten von ihrem Smartphone beantworten oder Tweets anfertigten sollten. Ebenso manipulierten die Forscher, ob die Studierenden Nachrichten und Tweets schrieben, welche für die Vorlesung relevant oder irrelevant waren (z.B. relevant: "Wie heißt die Theorie über die der Professor gerade spricht?"; irrelevant: "Was machst du am Dienstag?"). Des Weiteren manipulierten sie die Häufigkeit der Nachrichten. Manche Studierende mussten alle 30 Sekunden Nachrichten schreiben oder Tweets absetzen, andere alle 60 Sekunden. Ihre Ergebnisse sind genau so, wie wir es erwartet hätten. Nachrichten, welche den Lernstoff ansprachen, hatten keinen negativen Einfluss auf die Erinnerungsleistung der Studierenden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die der Vorlesung aufmerksam zuhörte. Nachrichten, die für die Vorlesung irrelevant waren schon. Ebenso wirkten sich häufige Ablenkungen negativer auf die Erinnerungsleistung der Studierenden aus als seltenere Ablenkungen. Erneut sprechen die Ergebnisse dafür, dass nicht das Medium für das Erinnerungsvermögen von Lernenden bestimmt, sondern wie dieses Medium eingesetzt wird. Ganz ähnliche Ergebnisse fanden Mendoza et al. (2018). Auch hier erhielten ProbandInnen irrelevante Nachrichten während einer Vorlesung. Die Vorlesung war ein TED-Talk, welcher 20 Minuten dauerte. Studierende wurden in vier Gruppen eingeteilt: Smartphones erlaubt, Smartphones im Flugzeugmodus, Smartphones entfernt und keine Instruktionen über den Gebrauch der Smartphones. Auch hier erhielten Studierende auf ihre Smartphones ablenkende Nachrichten: "Hey, bist du da, wir warten beim McDonalds!" oder "Sorry, ich hab die falsche Nummer gewählt". Nur diesmal hatten die Nachrichten nichts mit den Inhalten des TED-Talks zu tun. Die Ergebnisse waren die gleichen: Studierende, die ihr Smartphone nutzen konnten, erinnerten sich an weniger Inhalte aus dem TED-Talk als Studierende, die keine Smartphones benutzen durften. Eine etwas andere Studie führten Ravizza et al. (2014) durch. Sie fragten Studierende danach, wie häufig sie während Vorlesungen Nachrichten schreiben, Facebook benutzen, E-Mails beantworten oder das Internet nutzen. 508 Studierende nahmen an der Befragung in einem Einführungskurs zum Thema Psychologie teil. Während der Vorlesung mussten Studierende vier Prüfungen ablegen, welche aus Multiple-Choice Fragen bestanden. Studierende gaben an, am häufigsten während Vorlesungen Nachrichten zu schreiben. Es zeigte sich, dass Studierende schlechter in den Prüfungen abschnitten je häufiger sie berichteten im Internet zu surfen. Die anderen Ablenkungen zeigten zwar ähnliche negative Tendenzen, wurden allerdings nicht signifikant. Zudem fanden die Forschenden, dass der negative Zusammenhang zwischen der Internetnutzung und dem Abschneiden in der Klausur unabhängig von der Intelligenz der Studierenden war. Klugheit schützt demnach nicht davor, durch das Smartphone abgelenkt zu werden.

Diese sind noch lange nicht alle Studien zum negativen Einfluss der Benutzung von Smartphones im Unterricht (siehe auch Froese et al., 2012; Van er Schuuer et al., 2015; Wilmer et al., 2017). Fast alle zeichnen das gleiche Bild. Smartphones schaden dem Lernen, sofern Lernende fachfremde Inhalte auf diesen Smartphones verarbeiten. Welche Konsequenz sollen Lehrende und Lernende aus dieser Schlussfolgerung ziehen? Einerseits ist es auf Grundlage dieser Ergebnisse legitim, Lernende zu bitten, vom Gebrauch ihrer Smartphones während einer Lehrveranstaltung abzusehen. Die meiste Lernzeit verbringen Lernende (zumindest Studierende) allerdings nicht in der Klasse, sondern individuell beziehungsweise in Gruppen. Lernende sollte daher in die Verantwortung genommen werden, ihre Lernzeit klug zu nutzen. Das bedeutet, sie müssen sich bewusst entscheiden, ihr Smartphone nicht in die Hand zu nehmen, ihr Smartphone in den Flugzeugmodus zu schalten oder ihre Smartphones gleich ganz zu Hause zu lassen. Nicht ganz so einfach, wenn man bedenkt, dass die meiste soziale Kommunikation über diese Geräte läuft. Hinzu kommt, dass auch schon die Nichtbenutzung von Smartphones eine Sogwirkung erzielt. Diese Sogwirkung haben Ward et al. (2017) einmal klug untersucht. Sie holten ProbandInnen in ihr Labor und baten sie eines von drei Dingen zu tun. Entweder sollten sie ihr Smartphone in einem anderen Zimmer lassen, oder sie sollten ihr Smartphone stumm in ihre Tasche stecken, oder sie sollten ihr Smartphone stumm auf den Tisch legen. Im Anschluss baten sie Studierende einen Intelligenztest und einen Arbeitsgedächtnistest durchzuführen. Studierende, die ihr Smartphone auf den Tisch lagen schnitten schlechter in beiden Tests ab als Studierende, die ihr Smartphone im anderen Zimmer ließen. Für Studierende, welche ihr Smartphone in der Tasche ließen, gab es keine Unterschiede zu der Gruppe, welche ihr Smartphone im anderen Zimmer ließen. Ward und Kollegen nannten dieses Phänomen "Brain Drain" (zu Deutsch Abfluss des Gehirns). Dieser Brain Drain kann ebenso mit fremden Smartphones stattfinden. Stell dir vor, du lernst mit einer Kleingruppe und deine Freundin legt ihr Smartphone auf den Tisch. Genauso sind Thornton et al. (2014) vorgegangen. Die Versuchsleitung ließ ihr Smartphone bei einer Gruppe "ausversehen" auf dem Versuchstisch liegen, bei der anderen Gruppe nicht. ProbandInnen mussten anschließend verschiedene kognitive Aufgaben durchführen. Beispielsweise sollten sie aus einer Zahlenreihe verschiedene Zahlen auf Grundlage einer Regel löschen (z.B. lösche alle zwei Zahlen, die drei ergeben: 321618305 ...). Die ProbandInnen erhielten sowohl eine leichte als auch eine schwierige Version dieser Aufgaben. Der Brain Drain Effekt wurde in diesem Experiment nur für die schweren Aufgaben gefunden. In einem zweiten Experiment ließen sie die Studierenden ihr eigenes Smartphone auf den Tisch legen und fanden ähnliche Ergebnisse. Erneut war das Smartphone nur lernhinderlich, wenn die Studierenden schwere Aufgaben durchführten. Wie kommen diese Ergebnisse zu Stande? Stell dir eine Lernende vor, die sich versucht zu konzentrieren, ihr Smartphone auf dem Tisch liegen hat und folgende Gedanken im Kopf hat: "Hat mir Thomas eigentlich mittlerweile geantwortet?", "Wie viel Uhr ist es? Ich muss um 18 Uhr zum Yoga!", "Bin gespannt wie die US-Open ausgegangen sind.", "Ich muss Miriam unbedingt noch dieses lustige YouTube-Video schicken". Offensichtlich keine Gedanken, die in einer Klausur abgefragt werden könnten. Die Anwesenheit von Smartphones führt dazu, dass wir unseren Gedankenfluss regelmäßig unterbrechen und auf andere Inhalte richten.

Smartphones sind mittlerweile so verbreitet, dass ihr Ablenkungsvermögen zu einer gesellschaftlichen Debatte geworden ist. Nicht nur sind sie brandgefährlich im Straßenverkehr (Caird et al., 2014), sie verändern auch unsere soziale Interaktionen (Przybylski & Weinstein, 2012). Einfache Kniffs werden das Problem nicht lösen. Einerseits, da zwei Kräfte gegeneinander arbeiten. Die EntwicklerInnen von Smartphones und Apps setzen umfangreiche Ressourcen ein, den Gebrauch von Smartphones zu maximieren. Lehrkräfte und Bildungsinstitutionen bemühen sich wiederum so gut es geht, den Gebrauch dieser Geräte zu reduzieren bzw. die Geräte sinnvoll für das Lernen zu nutzen. Der Kampf ist allerdings ungleich, da deutlich mehr Ressourcen auf Seiten der EntwicklerInnen liegt. Zudem ist es eine noch sehr junge Debatte. Das erste iPhone wurde im Jahr 2007 vorgestellt. Gewissermaßen sind wir Jugendliche, die gegen ihre Eltern rebellieren und noch nicht genau wissen, welche Methode am effektivsten ist. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob die Antwort vordergründig in der Selbstverantwortung der NutzerInnen liegt oder ob Regularien eingeführt werden, welche die Sogwirkung von Smartphones reduzieren. In jedem Fall muss bis dahin jeder von uns klug überlegen, wie wir diese Geräte in die Lehre integrieren oder ob wir sie stellenweise ganz verbannen.

Papier oder Laptop? Schreiben mit digitalen Geräten

Manche Nostalgiker bevorzugen es, Notizen per Hand aufzuschreiben; das geliebte Tagebuch, die Mitschrift in der Vorlesung oder das Protokoll in einem Meeting. Wem das zu lästig ist, stehen hunderte Applikationen zur Auswahl, die die Anfertigung von Notizen in ihrer eigenen Art "revolutionieren". Ich selbst habe schon alles ausprobiert. Mal dachte ich, Evernote ist perfekt für meine Notizen, dann bin ich auf Notion umgestiegen und an einem anderen Tag war ich überzeugt, dass Foam die Notizsoftware meiner Wahl ist. Mittlerweile schreibe ich Notizen meist in Markdown auf. Papier war für mich immer schon flüchtig, da ich eine furchtbare Handschrift habe und nicht in der Lage bin, Papier sinnvoll zu organisieren. Und ich wette, dass auch du schon in diesem Prozess warst. In jedem Fall wirst du Notizen beim Lernen anfertigen. Erst vor einigen Jahren haben Morehead et al. (2019) 577 Studierende dazu befragt. 96% gaben an während Vorlesungen Notizen anzufertigen. 86% dieser Studierenden berichteten, ihre Notizen per Hand anzufertigen, 46% mit dem Laptop (Mehrfachantworten waren möglich). In Online-Kursen wiederum fertigen Lernende weniger häufig Notizen an (49%). Am häufigsten fertigten Studierende Notizen als Spiegelstriche an (85%). Nur wenige erstellten Concept Maps oder andere Formen an Visualisierungen (9%). Nun, war es eine kluge Entscheidung der meisten Studierenden, Notizen handschriftlich anzufertigen? Tatsächlich macht es einen Unterschied und wir werden gleich sehen welchen. Bevor wir allerdings auf die Forschung zu sprechen kommen, ein kurzer Hinweis: Es gibt zwei Funktionen von Notizen (siehe Luo et al., 2018): Die Prozessfunktion und die Produktfunktion. Die Prozessfunktion besagt, dass die Anfertigung von Notizen selbst eine Lernaktivität darstellt. Die Produktfunktion besagt, dass die Anfertigung von Notizen Lernenden erlaubt, den Lernstoff mit Hilfe der Notizen erneut zu verarbeiten. Wenn Lernende Notizen anfertigen denken sie eher an die Produktfunktion der Notizen. Allerdings sprechen viele Befunde dafür, dass die Anfertigung von Notizen selbst lernförderlich ist (Kiewra et al., 1991). Auf beide Funktionen werden wir zu sprechen kommen.

Beginnen wir mit den Beschränkungen und Affordanzen des Schreibens auf digitalen Geräten (Laptops und Tablets) und Papier. Papier hat zunächst den Vorteil, dass es das Anfertigen von Skizzen und Zeichnungen erleichtert (Fiorella & Mayer, 2017). Tatsächlich neigen Lernende, die mit einem Laptop mitschreiben dazu, kaum visuelle Informationen zu notieren. Luo et al. (2018) zum Beispiel ließen Lernende bei einem Vortrag zum Thema Diagnostik in der Bildung, welcher neun Bilder enthielt, mitschreiben. Von 30 Lernenden die einen Laptop verwendeten, beschrieb keiner der Studierenden diese Bilder. Wer also nicht gerade ein iPad mit einem Stift zur Hand hat, fertigt seine Notizen auf digitalen Geräten meist als Fließtext bzw. in Form von Spiegelstrichen an und ignoriert wichtige visuelle Informationen in diesen Spiegelstrichen. Sagen wir, ich möchte mir die Struktur der DNA vorstellen. Diese Struktur kann ich deutlich einfacher als Skizze auf Papier aufzeichnen als Spiegelstrichliste auf einem Laptop. Laptops wiederum ermöglichen uns mehr Worte in kürzerer Zeit aufzuschreiben. Im Schnitt sind Menschen in der Lage 33 Worte pro Minute mit dem Laptop und 22 Worte pro Minute per Hand aufzuschreiben (Brown, 1998; Karat et al., 1999). Die höhere Schreibgeschwindigkeit ist nicht unbedingt ein Vorteil. Genauso wie Speed Reading zu einem Verlust an Verständnis führt (siehe Rayner et al., 2016), kann schnelles Schreiben dazu führen, dass wir uns nicht tiefergründig mit dem auseinander setzen, worüber wir schreiben. Wir werden gleich bei den Forschungsergebnissen darauf zu sprechen kommen. Eine weitere Beschränkung von Laptops ist, dass sie wenige kontextuelle Hinweise liefern. Ich meine damit, dass wir meist in der gleichen Anwendung Notizen aufschreiben. Unabhängig davon, ob ich mir Informationen über die DNA oder Shakespeare notiere, werde ich immer die gleiche Oberfläche ansehen. Lernende, die auf Papier schreiben, können allerdings den Kontext wechseln, indem sie für jede Lehrveranstaltung beispielsweise ein andersfarbiges Notizbuch verwenden. Wenn sich diese "Papier-Lernenden" versuchen, an etwas zu erinnern, könnte es für sie einfacher sein, da sie mehr Kontexthinweise haben: "Mmmmh, das habe ich damals in der Mitte des Notizheftes aufgeschrieben als ich aus Frust ein Fitzel Papier aus der Seite gerissen habe". Ein enormer Vorteil von Laptops wiederum ist, dass wir die Notizen durchsuchen können. Notizapps betonen in der Regel, wie effizient Notizen gefunden werden können. Nehmen wir als Beispiel Steven Pinker. Pinker, einer äußerst bekannter Kognitionswissenschaftler und Linguist, unterhält ganze Schubladen von Notizen und Fachartikeln. Ein Doktorand in seiner Arbeitsgruppe wies ihn allerdings irgendwann darauf hin, dass er alle seine Fachartikel auf seinem PC speichern kann, was Pinker erstaunte, da er damals nicht ahnte, dass Computer ein so hohes Speichervolumen haben könnten. Seitdem durchsucht er Fachartikel auch elektronisch und spart sich dadurch wertvolle Zeit. Genauso nutzen Lernende die verschiedenen Suchfunktionen digitaler Geräte um bestimmte Konzepte in ihren Notizen zu finden. Mit Papier ist diese Suche ungleich zeitintensiver.

Nicht für alle diese Beschränkungen und Affordanzen gibt es umfangreiche Forschung. Wir schauen uns nun im speziellen Forschungen zu der Frage an, ob die Wahl des Schreibmediums einen Einfluss auf unser Erinnerungsvermögen aus Vorträgen hat. Sprich, wir sprechen über die Prozessfunktion von Notizen und den Einfluss der Medien auf diese Funktion. Mit Vorträgen meinen wir reale Vorträge als auch Videos, die sich Lernende online ansehen. Die wissenschaftliche Debatte über den Einfluss der Medien beim Schreiben begann mit einem Artikel von Mueller und Oppenheimer (2014). Die beiden Autoren führten drei Studien durch, in denen sie Studierende baten per Hand oder per Laptop bei einer Vorlesung mitzuschreiben. In allen Studien konnten sie zeigen, dass sich Studierende, die per Hand mitschrieben besser an die Inhalte der Vorträge erinnern konnten als Studierende, die mit dem Laptop mitschrieben. In ihrer ersten Studie sahen Studierende fünf TED-Talks von etwa 15 Minuten und mussten 30 Minuten nach dem letzten Vortrag einige Fragen zu den TED-Talks beantworten. Beide Gruppen konnten sich anschließend an gleich viele Fakten aus den Vorträgen erinnern. Allerdings unterschieden sich beide Gruppen in ihrer Fähigkeit, konzeptuelle Fragen über die Vorträge zu beantworten. Studierende, die per Hand mitschrieben, zeigten ein höheres konzeptuelles Wissen über die Inhalte des Vortrags als Studierende, die mit dem Laptop mitschrieben. Interessanterweise, obwohl die handschriftliche Gruppe weniger Worte aufschrieb als die Laptop-Gruppe (173 Worte gegenüber 309 Worte). Ein weiterer interessanter Befund war, dass die Laptop-Gruppe deutlich öfter wortwörtliche Zitate aus den Vorträgen in ihrer Mitschrift aufschrieb als die handschriftliche Gruppe. Oder anders gesagt, die Laptop-Gruppe schrieb eher mit als dass sie die Inhalte der Vorträge in eigenen Worten beschrieb. Nun, vielleicht kam es zu diesen Ergebnissen, da Laptop-Studierende nicht explizit dazu aufgefordert wurden, keine Textbausteine zu kopieren. Vielleicht muss Laptop-Studierenden nur gesagt werden, wie sie die Inhalte mitschreiben sollen und dann macht das Medium keinen Unterschied für das Lernen? Die Ergebnisse von Mueller und Oppenheimer sprechen dagegen. In einer zweiten Studie gaben die Forscher den Laptop-Studierenden folgenden Prompt: "Wir machen eine Studie darüber, wie Informationen in Vorlesungen vermittelt werden. Wir möchten, dass du dir Notizen zu einer Vorlesung machst, so wie du es im Unterricht tun würdest. Studierende, die Notizen auf Laptops anfertigen, wenn sie erwarten, später über den Stoff getestet zu werden, neigen dazu, das Gehörte abzuschreiben, ohne viel darüber nachzudenken. Bitte versuche dies nicht zu tun, wenn du Notizen anfertigst. Mache dir Notizen in deinen eigenen Worten und schreibe nicht einfach Wort für Wort auf, was der Sprecher sagt." (S. 1162). Die Ergebnisse waren die gleichen. Laptop-Studierende hatten ein geringeres konzeptuelles Verständnis über die Inhalte und schrieben dennoch mehr Gesagtes Wort für Wort ab als die handschriftliche Gruppe. Nun, Studierende nutzen Notizen als Organisationsstrategie und studieren Notizen meist nach den Vorlesungen. Könnte es daher sein, dass der Unterschied verschwindet, wenn Studierende nach der Anfertigung der Notizen eine Chance haben, die Notizen erneut zu studieren, also die Produktfunktion von Notizen nutzen? Erneut fanden Mueller und Oppenheimer keine Evidenz für diese These. Sie ließen ProbandInnen mit den verschiedenen Medien schreiben (Laptop oder handschriftlich) und gaben ihnen teilweise die Möglichkeit, die Notizen erneut zu studieren (studieren oder nicht-studieren). Studierende, die per Hand mitschrieben und danach die Notizen erneut studieren konnten, erinnerten sich an mehr Fakten aus den Vorträgen und hatten ein besseres konzeptuelles Verständnis als alle anderen drei Gruppen. Diese drei Studien sandten eine eindeutige Botschaft: Studierende sollten nicht mit dem Laptop mitschreiben.

Allerdings sollte diese These in nachfolgenden Studien langsam brechen. Morehead et al. (2019) beispielsweise führten eine Replikationsstudie von Mueller und Oppenheimer durch, indem sie die ersten beiden Experimente methodisch gleich durchführten. Zunächst fanden auch Morehead et al., dass Laptop-Studierende mehr mitschrieben und mehr wörtlich aus den Vorträgen kopierten. Laptop-Studierenden zeigten allerdings kein geringeres konzeptuelles Verständnis als Studierende, die per Hand mitschrieben. Allerdings fanden sie, dass sich Studierende, die per Hand mitschrieben an ein wenig mehr Fakten aus den Vorträgen erinnern konnten als Laptop-Studierende. Urry et al. (2019) replizierten die Studie von Mueller und Oppenheimer (2014) ebenso. Sie fanden keine Lernunterschiede zwischen Studierenden, die per Laptop oder per Hand mitschreiben; weder für Faktenfragen, noch für konzeptuelle Fragen. Ähnlich wie bisherige Studien fanden sie allerdings, dass Laptop-Studierende mehr mitschrieben und mehr wörtlich kopierten. In einer kleinen Meta-Analyse, welche die bisherigen Studien zusammen fasste, fanden sie weder einen nachteiligen, noch einen förderlichen Effekt des Mediums für die Anfertigung von Notizen. Je mehr Lernende allerdings aufschrieben, desto besser erinnerten sie sich an die Vorträge. Je mehr die Lernenden wörtlich aus den Vorträgen Wort für Wort kopierten, desto geringer war ihr Verständnis der Inhalte der Vorträge. Offensichtlich spielten die Prozesse während des Schreibens (z.B. die Dauer des Schreibens bzw. die Denkarbeit während des Schreibens) eine größere Rolle als das Medium. Und wenn nun nicht das Medium, sondern die Prozesse während der Mitschrift entscheidend sind, stellt sich die Frage, welche weiteren Bedingungen einer Mitschrift eines Vortrags lernförderlich sind? Flaningan und Titsworth (2020) haben sich dazu ein cleveres Experiment ausgedacht. Auch sie ließen Studierende mit dem Laptop und per Hand mitschreiben. Zudem störten sie manche Studierende alle 40 Sekunden, indem sie ihnen während dem Vortrag störende Textnachrichten auf ihr Handy schickten auf die sie antworten sollten (z.B. "Welchen Film empfiehlst du, der gerade im Kino läuft?"). Alle Studierende sahen sich einen 15-minütigen Vortrag zum Thema Plattentektonik an. Nachdem sie den Vortag gesehen hatten, hatten sie für fünf Minuten die Möglichkeit, die Notizen erneut zu studieren. Ihr Trick lag in der Datenanalyse. Anstatt nur zu testen, ob ein Medium einem anderen von Vorteil ist, sahen sie sich die Notizen genauer an. Sie verglichen die 143 Ideeneinheiten, welche in dem Vortrag angesprochen wurden mit den Ideeneinheiten, die in den Notizen der Lernenden zu finden waren. Sie analysierten komplette und unvollständige Ideeneinheiten. Stell dir zum Beispiel vor in einem Vortrag wird gesagt, dass die Venus 67,000,000 Meilen von der Sonne entfernt ist. Eine komplette Ideeneinheit in den Notizen könnte wie folgt aufgeschrieben sein: "Venus = 67 Millionen Meilen von der Sonne". Eine inkomplette Ideeneinheit könnte wie folgt aufgeschrieben sein: "Venus = 67,000,000 Meilen". Ihre Ergebnisse zeigten zunächst, dass die meisten Ideeneinheiten der Studierenden inkomplett waren. Interessanterweise lernten Studierende mehr aus dem Vortrag, je mehr vollständige Ideeneinheiten sie aufschrieben. Für unvollständige Ideeneinheiten galt dieser Zusammenhang nicht. Eine genauere Analyse der Notizen der Studierenden zeigte Folgendes: Studierende, die mit dem Laptop mitschrieben, schrieben mehr komplette Ideeneinheiten auf als Studierende, die per Hand mitschrieben. Für inkomplette Ideeneinheiten fanden sie keine Unterschiede. Interessanterweise zeigten die Ergebnisse auch, dass Laptop-Studierende keine Bilder in ihren Notizen beschrieben (ähnlich wie bei Luo et al., 2018). Nicht überraschenderweise lernten Studierende, die durch Nachrichten gestört wurden, weniger als Studierende, die nicht durch Nachrichten gestört wurden. Eine weitere Prozessstudie wurde von Fiorella und Mayer (2017) durchgeführt. Sie ließen Studierende einen Fachartikel zum Thema "Das Atmungssystem" schreiben und baten sie während des Lesens Notizen per Hand anzufertigen. Die meisten Notizen umfassten Spiegelstriche. In 39% der Fälle hingegen fertigten die Studierenden Zeichnungen an. Je mehr Zeichnungen in den Notizen angefertigten wurden, desto mehr wurde aus dem Text gelernt. In einem zweiten Experiment ließen sie den gleichen Text mit Laptops notieren. Diese Studierenden fertigten deutlich weniger räumliche Notizen an als Studierende, die per Hand mitschrieben (Laptop-Studierende nutzten Word, welches räumliche Notizen ermöglichte). Zur eigenen Überraschung der Autoren lernten Laptop-Studierende mehr als Studierende, die per Hand mitschrieben. Ein Grund lag für die Autoren darin, dass diese Studierenden es gewohnt waren, mit dem Laptop Notizen anzufertigen und daher geringere Produktionskosten hatten.

Die bisherigen Ergebnisse liefern eines: Keine klare Botschaft. Weder kann man sich auf Grundlage der Ergebnisse auf die Seite schlagen, dass Laptops nachteilig für Lernen sind, noch kann man sagen, dass das Medium definitiv keinen Unterschied macht. Einen Befund hatten alle Ergebnisse gemeinsam: Schreiben Lernende mit mit einem Laptop mit, fertigen sie längere Notizen mit mehr wörtlichen Überlappungen des Vortrags an als wenn sie handschriftlich mitschreiben. Diese Unterschiede führen allerdings nicht unbedingt zu mehr oder weniger Lernen. Erneut deutet vieles darauf hin, dass nicht ein Medium entscheidend ist, sondern dessen Gebrauch. Sollte es so sein, dass wir mehr durch Notizen lernen, wenn die Notizen vollständige Ideen abbilden und wenn die Notizen visuelle Darstellungen enthalten, müssten wir Lernende ermutigen dies zu tun. Ebenso müssen Lernende sich selber in die Verantwortung nehmen, die Mühsal ausführlicher Notizen auf sich zu nehmen. Und vielleicht wird diese Mediendebatte in naher Zukunft ohnehin verschwinden, da digitale Notizbücher echtem Papier immer mehr ähnelt. Produkte wie Remarkable oder Onyx Boox sind in ihren Beschränkungen und Affordanzen von Papier kaum mehr zu unterscheiden. Ich würde daher die Hypothese aufstellen, dass sich die Forschung zukünftig weniger an der Frage des Mediums beim Schreiben abarbeitet als dessen Gebrauch. Wir werden sehen.

Papier oder Laptop? Lesen auf digitalen Geräten

Die nächste Frage liegt auf der Hand. Macht es einen Unterschied, ob ich Texte auf Papier oder am Laptop lese? Die meisten Lernenden bevorzugen es, von Papier zu lesen (Baron et al., 2017; Ji et al., 2014). In der Studie von Baron et al. beispielsweise gaben 92% von 429 Studierenden aus fünf Ländern an, dass sie sich am besten konzentrieren können, wenn sie auf Papier lesen. 87% der Studierenden gaben an, lieber auf Papier lesen zu wollen, wären die Kosten beider Medien die gleichen (Fachbücher sind häufig sehr teuer und werden daher nicht immer gekauft). Eine Präferenz ist allerdings nicht mit einem erhöhten Lerneffekt gleichzusetzen. Ich habe eine Präferenz für Süßgetränke, sollte aber nicht zu viele davon trinken. Raucher haben eine Präferenz für Zigaretten und sollten lieber nicht zu ihnen greifen. Wir müssen uns daher fragen, ob das Medium bei Lesen einen Unterschied auf das Erinnerungsvermögen der Inhalte der Texte macht? Und wenn wir etwas in diesem Modul gelernt haben, dann, dass es auf die Affordanzen und Beschränkungen des Mediums ankommt.

Die Medien Papier und digitale Geräte ändern zunächst nicht das Ziel des Lesens: LeserInnen müssen Worte erkennen und nacheinander verarbeiten. Allerdings nehmen wir beim Lesen nicht nur Worte wahr, sondern die Umgebung der Worte. Ferris Jahr (2013) spricht auch von einer physikalischen Landkarte. Sowohl digitale Geräte als auch Papier besitzen solch eine digitale Landkarte. Nur ist diese deutlich unterschiedlich. Beginnen wir mit der Größe. Wenn ich von digitalen Geräten spreche, meine ich damit Laptops, Tablets und Smartphones. Alle diese Geräte zeichnet meist eines aus: Mit ihnen kann man Texte scrollen. Papier kannst du nicht scrollen. Folglich können wir auf Papier immer den ganzen Text einer Seite sehen, bei digitalen Geräten allerdings nicht. Dies hat direkte kognitive Folgen. Wenn ich scrolle unterbreche ich immer Gedanken über die Inhalte des Textes, denn das Ziel des Scrollens ist es den nächsten Textabschnitt zu sehen. Diesen Schritt wiederhole ich dutzende Male. Dutzende Male, in denen ich kurz nicht über den Textinhalt nachdenke. So banal und flüchtig dies auch klingen mag, könnte es einen Unterschied auf das Erinnerungsvermögen der Textinhalte machen. Der zweite Unterschied liegt im physikalischen Medium selbst. Lesen auf Papier ist im wahrsten Sinne des Wortes ein "sinnliches Erlebnis". Papier riecht, es hat eine Textur, eine eigene Typographie und in Kombination mit Text variable Seitenränder. Digitale Medien emulieren diese sinnlichen Eigenschaften zwar, sie sind aber noch weit von Papier entfernt. Auch, da Papier Dinge ermöglicht, die digitale Geräte nicht können. Papier kann ich beispielsweise physikalisch durchblättern, digitale Medien nicht. Jede Leserin kennt das Erlebnis, dass man sich bildlich erinnern kann, an welcher Stelle im Buch etwas gelesen wurde (z.B. in der Mitte des Buches). Bücher sind zudem beidseitig gedruckt, digitale Geräte haben nur "eine Seite". All dies sind wichtige Kontextmerkmale der physikalischen Landkarte des Papiers, welche LeserInnen als gedanklicher Anker dienen können. Um dir die Bedeutung der physikalischen Landkarte an einem anderen Beispiel deutlich zu machen, stelle dir einmal vor, du sollst auf GoogleEarth die Stadt Erfurt von der Stadt Marburg aus finden, ohne, dass du zoomen darfst. Wenn ich es jetzt nicht nachgeschaut hätte, wüsste ich nicht, wo Marburg liegt. Um Erfurt zu erreichen, hätte ich versucht von Marburg aus den nächsten Ort zu finden, den ich kenne. Wäre es mir möglich gewesen zu zoomen, sprich hätte ich die ganze physikalische Landkarte gesehen, wäre die Aufgabe für mich deutlich einfacher gewesen. Dies ist in etwa die Extremform des Unterschieds zwischen Papier und digitalen Geräten.

Die Gretchenfrage ist nun, ob sich die Unterschiede zwischen Papier und digitalen Medium in der Erinnerungsleistung aus Texten niederschlagen. Bisherige Meta-Analysen deuten darauf hin, dass sich Menschen an mehr Inhalte der Texte erinnern können, wenn sie auf Papier lesen (Clinton, 2019; Delgado et al., 2018; Kong et al., 2018). Der Effekt dieser Meta-Analysen ist in der Regel klein (g > 0.13 und g < .26). Klein bedeutet allerdings nicht gleich unbedeutsam, wenn wir uns vor Augen halten, dass sich diese Effekte über die Zeit akkumulieren könnten. Oder anders gesagt, wir lesen sehr viel, insbesondere, wenn wir Lernende in formalen Bildungsinstitutionen sind. Ein Stalaktit entsteht auch erst durch unzählige herabfallende Tropfen. Interessanterweise verschwindet der Effekt des Mediums, wenn Menschen narrative Texte wie Romane lesen. Der Kindle im Urlaub ist daher bedenkenlos zu empfehlen; so suggerieren uns zumindest die bisherigen Forschungsergebnisse. Ein weiterer interessanter Befund der Studien ist, dass der Effekt verschwindet, wenn wir genügend Zeit zum Lesen haben. Ist die Lesezeit limitiert, scheint Papier lernwirksamer zu sein. Inwieweit dieser Unterschied in der realen Lernwelt der Lernenden zu Tragen kommt, ist gar nicht einfach zu sagen. Lernende, die sich auf eine Klausur vorbereiten, nehmen sich in der Regel die Zeit, ihre Texte ausführlich zu studieren. In Testsituationen allerdings gibt es meist ein Zeitlimit. Bei Lesetests für Kinder sollte man daher zumindest diskutieren, ob es Benachteiligungen durch die Wahl des Mediums gibt (siehe auch Støle et al., 2020). Delgado et al. fanden auch heraus, dass der Mensch mehr durch das Lesen auf Papier lernt, wenn das digitale Medium scrollen ermöglicht. Die Autoren erklären sich diesen Effekt dadurch, dass wir bei Texten, die gescrolled werden müssen, ein ärmeres räumliches Bild des Textes entwickeln und dadurch einen kognitiven Nachteil haben als beim Lesen auf Papier (Støle et al., 2020).

Papier hat digitale Geräte damit allerdings nicht geschlagen. Denn es gibt gute Gründe, manche Texte auf digitalen Geräten zu lesen. Zunächst kosten Bücher Geld. Für Studierende ist dies kein trivialer Grund, da Fachbücher häufig teuer sind. Zudem sind Bücher nicht für alle Menschen barrierefrei. Mit E-Books können Menschen mit einer Sehschwäche Texte vergrößern. Blinde Menschen wiederum können Texte aus E-Books vorgelesen bekommen. Die Verwendung des Mediums beim Lesen hat daher mehrere Gründe, nicht alle davon sind lernrelevant. In ferner Zukunft könnte es gar sein, dass sich digitale Medien in ihren Affordanzen und Beschränkungen noch mehr an Papier annähern. Erste Forschergruppen versuchen bereits Papier zu entwickeln, welches ebenso elektronisch ist (Shah & Brown, 2005). Sobald es marktreife E-Papers gibt, wage ich die Prognose, dass Menschen, die mit digitalem Papier lesen genauso viel aus einem Text lesen, wie Menschen, die mit echtem Papier lesen. Bis dahin sind es allerdings noch einige Jahre.

Der Fluch und Segen der kognitiven Entlastung durch digitale Medien

Auch wenn es mir ein wenig peinlich ist, gebe ich zu, dass ich einer Monatszahl häufig nicht spontan den richtigen Monat zuordnen kann. Dass der 03.05 der dritte Mai ist, finde ich heraus, indem ich meine Finger zähle und gleichzeitig die Monate innerlich ausspreche. Erster Finger Januar, zweiter Finger Februar, dritter Finger März, vierter Finger April und voilà fünfter Finger Mai. So seltsam ist mein Verhalten allerdings nicht. Wenn du schon einmal wandern warst und vor einer sehr alten, fest-installierten Wanderkarte an einem beliebtem Platz standst, hast du vielleicht schon folgende Entdeckung gemacht: Die Karte hat einen kleinen weißen Fleck an einem bestimmten Punkt. Der Grund für den weißen Flex sind die ganzen Touristen, welche anderen Touristen zeigen möchten, wo man gerade steht. Nach tausenden Berührungen des gleichen Punktes blättert die Farbe ab und der Punkt wird weiß. Oder, hast du schon einmal Jenga gespielt und gemerkt, dass viele Menschen ihren Kopf drehen, bevor sie ein Holzklötzchen aus dem Turm ziehen? Sie tun dies, damit sie den Turm nicht mental drehen müssen (Dunn & Risko, 2017). Diese drei Beispiele haben eines gemeinsam. In beiden Fällen versuchen Menschen sich kognitiv zu entlasten. Ich, indem ich meine Finger verwende, um die Reihenfolge der Zahlen besser zu verfolgen; die Touristen, indem sie nicht sprachlich übersetzen müssen, was sie durch ihre Finger zeigen können. Menschen verwenden dieses Mittel ständig (Gilbert et al., 2020; Risko & Gilbert, 2016).

Kognitive Entlastung geschehen immer, wenn wir interne Verarbeitungen, das heißt Denken, durch externe Verarbeitungen austauschen (Dunn & Risko, 2017). Kognitive Entlastung ist daher per Definition bereits lernhinderlich. Wenn Lernen das Überbleibsel des Denkens ist (Willingham, 2010), hilft uns die Externalisierung unserer Gedanken nicht, etwas besser zu verstehen. Nicht umsonst verwende ich meine Fingermethode noch immer. Vermutlich bräuchte ich sie nicht mehr, würde ich mich eine Woche jeden Tag 10 Minuten hinsetzen und die Zuordnung der Zahlen und Monate lernen. Aber warum sollte ich? Auch Jenga SpielerInnen haben keinen Bedarf besser in der Fähigkeit zu werden, Objekte mental zu rotieren. Sie wollen sicher stellen, dass der doofe Turm nicht umfällt. Der Grund, dass Menschen so häufig kognitive Entlastungen verwenden, ist daher nicht Lernen, sondern die Fähigkeit Aufgaben schnell und mit geringem mentalem Aufwand auszuführen (Dunn & Risko, 2017).

Wie häufig wir auf kognitive Entlastungen zurück greifen steht eng mit dem technologischen Fortschritt einer Gesellschaft in Verbindung (Osiurak & Reynaud, 2020). Dieser Fortschritt war in den letzten 200 Jahren enorm. Osiurak und Reynaud sprechen daher passend von einer kumulativen technologischen Kultur. Die Welt ist so besetzt von Tools, dass fast niemand in der Lage wäre, ein Computer nachzubauen, ein Auto herzustellen, Wandfarbe zu produzieren, oder auch nur ein scharfes Messer herzustellen. Je technisch versierter eine Gesellschaft ist, desto häufiger verwendet sie kognitive Entlastungen. Auf Papier zu schreiben, beispielsweise, war den meisten Menschen vor 600 Jahren kaum möglich. Der radikalste Wandel kam allerdings mit dem Internet (Marsh & Rajaram, 2019). Einer der wichtigsten Eigenschaften des Internets für unser Denken ist, dass wir das ganze menschliche Wissen über das Internet zugänglich haben. Das mag manchen LeserInnen nicht ungewöhnlich erscheinen. Vor 20 Jahren allerdings gab es kein Wikipedia. Man musste in die Bibliothek gehen und in Enzyklopädien nach Begriffen nachschlagen. Ein Großteil des wissenschaftlichen Arbeitens war mit der Recherche von Fachartikeln verbunden. Jetzt gerade sitze ich an einem Schreibtisch, öffne mit einem Shortcut meinen Browser und finde Fachartikel in Sekunden. Diese Allgegenwertigkeit von Wissen, so scheint es, macht es obsolet, Dinge zu lernen. Wir können es ja nachschlagen. Wir werden allerdings gleich sehen, dass dies ein Irrtum wäre. Eine weitere Eigenschaft des Internets ist, dass wir Informationen durch eine digitale Suche erhalten. Kognitive Entlastung ist erst durch diese Suche möglich. Erinnern wir uns, dass der Grund warum wir auf kognitive Entlastungen zurück greifen, darin liegt, dass wir Aufgaben schnell und mit geringem mentalem Aufwand ausführen möchten. Wären die Informationen im Internet nicht durch eine Suchmaschine auffindbar, sondern versteckten sich in einer endlos langen Webseite, würde das Internet nicht als Medium kognitiver Entlastung dienen. Allein diese beiden Eigenschaften des Internets, die Masse an Informationen und die Fähigkeit, diese durch suchen zu finden, zwingen uns über die gesellschaftlichen Folgen des Internets auf das Lernen nachzudenken. Nicholas Carr hat einmal in The Atlantic gefragt, ob uns Google dumm macht? Er kritisiert, dass die Auffindbarkeit von Informationen im Internet dazu führt, dass wir uns auf Fakten und nicht auf vernetztes Wissen konzentrieren. Für ihn kommen wir aus einer Kultur, in welchem das Ideal eines gebildeten Menschen ein dichtes und umfangreiches Wissen über die Welt ist. Carr fürchtet, dass uns das Internet zu Pfannkuchen-Menschen macht. Wenn wir nach Informationen im Internet suchen, sehen wir nicht Bäume, sondern Zweige und Blätter.

Nur, ist es denn so dramatisch? Zunächst einmal gibt es nichts daran auszusetzen, dass das Internet und die Suche von Informationen schnell geht. SchülerInnen und Studierende müssen nicht selten Fachartikel recherchieren und gute Erklärungen für Dinge finden, die sie nicht verstehen. Ich kann nichts Schlechtes daran finden, dass uns dies das Internet ermöglicht. Für nichts anderes wurde das World-Wide-Web geschaffen. Die Recherche im Internet ist demnach ein Performanzproblem, bei der kognitive Entlastung erwünscht ist. Das Problem mit der Suche ist nur, dass wir nicht alles finden können, obwohl die Informationen auffindbar sind. Dieses Paradox löst sich auf, wenn wir uns überlegen, wie wir zu einer Suchanfrage kommen und woran wir erkennen, dass unsere Suchanfragen beantwortet wurden. Beides ist nämlich vom Wissen der Suchenden abhängig. Ich sitze am Schreibtisch und habe gerade noch versucht, einen Fachartikel zu finden, der untersucht hat, wie Studierende Informationen im Internet recherchieren. Ich weiß, dass ich Artikel sehr schnell über die Seite GoogleScholar finde. Ich weiß zudem, welche Textarten es gibt. Ich suche einen Fachartikel, keine Pressemitteilung, keine Monographie und auch keinen Zeitschriftenartikel. Ich kenne ebenso viele AutorInnen und kann einordnen aus welcher Forschungsrichtung sie kommen. Die Ergebnisse eines Fachartikels kann ich interpretieren, da ich mich mit statistischer Forschung auskenne. Würde ich all dieses Vorwissen abziehen, bliebe nicht mehr viel übrig, ich würde im Grunde blind fischen. Würdest du mir allerdings die Aufgabe stellen, den besten Fond für deine Anlagen im Internet zu finden, wäre ich heillos überfordert. Ich weiß zu wenig über das Thema Fonds, sodass ich eher eine Trail-and-Error Strategie fahren würde. Oder überlege dir selber, wie du folgende Suchanfragen angehen würdest: "Muss ich bei geom_errorbarh xmax oder xend verwenden?", "Wie sieht ein lineares Modell mit variablen Slopes aus?", Wie funktioniert Hoisting in Javascript?". Wie effizient du diese Fragen lösen kannst, hängt davon ab, was du über die Themen der Fragen weißt. Suche ist daher ganz eng an unser Wissen gekoppelt. Die Aussage, dass wir nichts wissen müssen, da wir Dinge nachschlagen können, ist genau aus diesem Grund Quatsch. Wir können nur zielführend suchen, wenn wir Wissen darüber haben, was wir suchen. Das Vorwissen ist das eine, die Art der Suche eine andere. Ganz ehrlich, wie häufig klickst du auf die zweite Seite bei einer Google-Suche? Die meisten Studierenden zumindest nicht. Hargittai et al. (2010) beispielsweise untersuchten das Suchverhalten von 102 Studierenden. Sie werteten 80 Stunden Suchmaterial aus und notierten 770 Seiten Transkripte. Studierende wurden gebeten ganz konkrete Suchanfragen zu beantworten. Die Resultate sprechen dafür, dass Studierende eine geradezu kognitiv komatöse Strategie der Suche wählten: Sie vertrauten der Reihenfolge von Google. Google bildet allerdings nicht die besten Antworten oben ab, so funktioniert die Suchmaschine nicht. 90% der Studierenden interessierten sich zudem nicht dafür, wer die Informationen der Webseiten geschrieben hatte. Wir müssen also feststellen, dass die Suche das Denken nicht ersetzt. Der Sachverhalt ist sogar genau umgekehrt. Eine gute Suche und viel Wissen reiten nebeneinander. Der eine ist ohne den anderen nicht viel Wert. Ich kann nicht gut suchen, ohne Wissen zu haben. So wie für Roger Federer ein guter Tennisschläger seine Rückhand verbessern kann, kann die Internetsuche die Kenntnisse wissender Menschen erweitern. Die Suche kann allerdings Wissen nicht ersetzen.

Während das Suchen ein Performanzproblem darstellt, ist der Akt des Lernens kein Performanzproblem. Beim Lernen ist kognitive Belastung gar erwünscht, sofern sie auf die richtigen Inhalte abzielt. Die Studien, welche das Problem der kognitiven Entlastung beim Lernen ansprechen, betonen genau diesen Punkt. Ihr Argument ist, dass Technologien zu einer oberflächlichen Verarbeitung von Informationen führt. Einer der klassischsten Studien hierzu wurde von Sparrow et al. (2011) durchgeführt. In vier Studien zeigten sie, dass es einen Unterschied macht, ob wir annehmen, wir können Informationen wieder abrufen oder nicht. In ihrem zweiten Experiment gaben sie ProbandInnen 40 triviale Aussagen, die man in einer typischen Google-Suche finden könnte (z.B. "Das Auge eines Straußes ist größer als sein Gehirn"). Die ProbandInnen sollten jede Aussage abtippen, damit sicher gestellt wurde, dass sie die Aussagen verarbeitet haben. Manchen ProbandInnen wurde gesagt, dass ihre Texte nicht gespeichert werden; den anderen, dass sie gespeichert werden. Innerhalb dieser Gruppen wurden manchen ProbandInnen gesagt, dass sie sich die Informationen behalten sollten; den anderen wurde kein solcher Hinweis gegeben. Diejenigen, die glaubten, die Aussagen werden gespeichert, erinnerten sich an weniger Aussagen als diejenigen, die glaubten, die Aussagen werden nicht gespeichert. Das gleiche Ergebnis erzielten sie in einem ähnlichen Experiment, bei dem den ProbandInnen angezeigt wurde, ob Informationen gespeichert werden oder nicht. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass wir uns weniger anstrengen, Informationen zu behalten, wenn wir denken, wir können die Informationen wieder abrufen. Der Artikel von Sparrow hat damals ein gewaltiges Medienecho hervorgerufen und wurde in seiner Tragweite vermutlich auch überbetont. Auch, da die Ergebnisse nicht lupenrein sicher sind. In einer Replikationsstudie aus dem Jahr 2018 beispielsweise wiederholten Camerer und Kollegen die Studie von Sparrow und fanden keine Unterschiede zwischen den Gruppen (Camerer et al., 2018). Andere Befunde sprechen allerdings wiederum für den negativen Einfluss der kognitiven Belastung auf unsere Erinnerungsleistung. Die einprägsamsten dieser Studien haben sich gefragt, was passiert, wenn wir Fotos von Objekten schießen, die Objekten selbst allerdings kaum betrachten. Ich selber war noch auf Konzerten, in denen niemand Fotos mit dem Smartphone machte. Vergleicht man das Konzert am Slane Castle von den Red Hot Chili Peppers mit einem Konzert von Taylor Swift heutzutage, bekommt man das Gefühl, niemand schaut sich das Konzert selbst an. Tatsächlich deuten Studien darauf hin, dass wir uns an weniger Details der Dinge erinnern, wenn wir Fotos von ihnen schießen. In einer Studie lies Henkel, 2014 beispielsweise Museumsbesucher Fotos der Austellungsstücke schießen. Andere MuseumsbesucherInnen sahen sich die Objekte ohne einen Fotoapparat an. Diejenigen, welche Fotos schossen, erinnerten sich an weniger Ausstellungsstücke und an weniger Details der Ausstellungsstücke. Wenn die MuseumsbesucherInnen allerdings den Zoom verwenden durften, gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Soares und Storm (2018) testeten die kognitive Entlastungshypothese ebenso durch ein kluges Experiment. Snapchat zeichnet sich dadurch aus, dass Informationen nicht gespeichert werden. Snapchat dient daher nicht als Medium der kognitiven Entlastung. Eine Fotoapp auf einem Smartphone allerdings schon. Uns sie ließen sie ProbandInnen Bilder unter drei Bedingungen betrachten: Über Snapchat, mit einer Kamera und ohne ein digitales Medium. Erneut zeigten die Ergebnisse, dass sich ProbandInnen an mehr Details aus den Bildern erinnern konnten, wenn sie die Bilder ohne technisches Gerät betrachteten. Snapchat-ProbandInnen waren allerdings auch benachteiligt. Dieses Ergebnis ist für die kognitive Entlastungshypothese problematisch, da ProbandInnen mit Snapchat keinen Anreiz hatten, Bilder oberflächlich zu verarbeiten. Dennoch schnitten sie schlechter ab. Die Ergebnisse sprechen eher dafür, dass Snapchat unsere Aufmerksamkeit hemmt und dadurch die Erinnerungsleistung leidet. Alles in allem sprechen erste Ergebnisse dafür, dass an der kognitiven Entlastungshypothese etwas dran ist. Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig. Dennoch, kognitive Entlastung sollte nicht erwünscht sein, wenn die Entlastung selbst Teil des Lernstoffs ist. Es macht einen Unterschied, ob ich die Lösung für eine Mathematikaufgabe nachschlage oder die Aufgabe durch meine Gedankenkraft löse.

Alles in allem ist kognitive Entlastung nicht unbedingt ein Fluch. Solange die Performanz im Vordergrund steht, ist die kognitive Entlastung für Lernende ein Segen. Sie lässt uns Informationen schneller finden. Technologien der kognitiven Entlastung können wir allerdings nur effektiv nutzen, wie wir Wissen über die Dinge haben. Die geeignete Metapher wäre daher die Metapher der Erweiterung. In diesem Fall die Erweiterung unserer Kenntnisse und Fähigkeiten. Ohne diese ist die Erweiterung nichts wert, genausowenig wie mir ein guter Tennisschläge nichts hilft, wenn ich keinen Ball geradeaus schlagen kann.

Zusammenfassung

Eine Erkenntnis aus diesen Forschungsreihen ist, dass nicht das Medium, sondern dessen Gebrauch entscheidend dafür ist, ob es dem Lernen hilft oder uns am Lernen hindert. Wir haben gesehen, dass digitale Medien die Affordanz haben, dass wir immer wieder drauf schauen möchten. In anderen Worten, digitale Medien lenken uns ab. Das ist kein spezifisches Problem digitaler Medien. Auch Nebengeräusche beim Lernen können ablenkend wirken (Dean, 2020; Vasilev et al., 2018). Jedoch hat man häufiger das Smartphone griffbereit als dass vor der Tür Bauarbeiten stattfinden und fast alle Lernenden sehen es als Herausforderung, sich auf langfristige Ziele zu konzentrieren und sich nicht einem kurzfristigen Vergnügen zu ergeben (Duckworth et al., 2019). Lernende müssen daher vor allem eines: Lernen mit digitalen Medien sinnvoll umzugehen. Das heißt gleichzeitig aus geliebten Gewohnheiten auszubrechen (Fiorella, 2020). Dennoch haben digitale Medien immer noch Affordanzen, auf die wir keinen Einfluss haben. Wir haben beispielsweise gesehen, dass uns das Lesen auf Papier deutlich mehr Kontextinformationen liefert als das Lesen auf dem Laptop. Und vermutlich liegt es an diesen Kontextinformationen, dass sich Lernende, die auf Papier lesen an mehr Informationen der Texte erinnern können als Lernende, die auf digitalen Medien lesen. Ein anderes Beispiel ist die Affordanz, dass wir auf Laptops vor allem textuelle Informationen notieren und keine Zeichnungen. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob sich diese Unterschiede zwischen digitalen und analogen Medien auflösen. Die Entwicklungen der letzten Jahre deuten zumindest darauf hin. Auf neueren Laptops kann man mit einem Stift zeichnen und E-Reader werden größer und sind vielleicht irgendwann von Papier nicht mehr zu unterscheiden. Bis dahin wird uns die Diskussion um den Einfluss digitaler Medien auf das Lernen noch weiter beschäftigen.

Weiterführende Literatur

Einführende Literatur

What to do About Laptops in Lectures?

Technology Changing How Students Learn, Teachers Say

Have Technology and Multitasking Rewired How Students Learn?

Fachliteratur

Delgado, P., Vargas, C., Ackerman, R., & Salmerón, L. (2018). Don't throw away your printed books: A meta-analysis on the effects of reading media on reading comprehension. Educational Research Review, 25, 23-38. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2018.09.003

Mueller, P. A., & Oppenheimer, D. M. (2014). The pen is mightier than the keyboard: Advantages of longhand over laptop note taking. Psychological Science, 25(6), 1159-1168. https://doi.org/10.1177/0956797614524581

Jabr, F. (2013). Why the brain prefers paper. Scientific American, 309(5), 48-53.

Marsh, E. J., & Rajaram, S. (2019). The digital expansion of the mind: Implications of internet usage for memory and cognition. Journal of Applied Research in Memory and Cognition, 8(1), 1-14. https://doi.org/10.1016/j.jarmac.2018.11.001

Sparrow, B., Liu, J., & Wegner, D. (2011). Google effects on memory: Cognitive consequences of having information at our fingertips. Science, 333(6043), 776–778. https://doi.org/10.1126/science.1207745